Samstag, 30. Mai 2015

Erstes Entwicklungsgespräch über die Kleine

Gestern fand nun endlich in der Kita das erste Entwicklungsgespräch über die Kleine statt. Sie ist jetzt genau 1 Jahr dort und wegen diverser Personalwechsel, vieler neuer Eingewöhnungen etc. kam es erst jetzt zum ausführlichen Gespräch. Es dauerte etwas über eine Stunde, war also sehr ausführlich und insgesamt vom Informationsgehalt und der Atmosphäre her durchgehend erfreulich und angenehm. Passenderweise hat Mama Notes heute auch diesen Beitrag über ihre Entwicklungsgespräche veröffentlicht, der mir half, zu vergleichen und einzuordnen.

Die Bezugserzieherin berichtete anhand eines Entwicklungsbogens über Fähigkeiten und Interessen der Kleinen, Begebenheiten in der Kita, Freundschaften und das Verhalten insgesamt. Vieles konnten wir bestätigen, einiges ist zuhause anders, aber das ist ja normal. Die Diskrepanz zwischen dem Verhalten zuhause und in der Kita ist aber generell bei ihr nicht so extrem, wie sie beim Großen lange Zeit war. Überrascht war ich gleich am Anfang, dass die Erzieherin die Kleine eher zu den ruhigeren, introvertierten Kindern zählte. Klar, sie ist keine Rabaukin, aber doch bei uns wunderbar lebhaft, fröhlich und definitiv die Extrovertierteste in unserer eher introvertierten Kernfamilie. In der Kita ist sie kein lautes Kind, sondern beobachtet gern und saugt vieles in sich auf. Sie ist sehr aufmerksam, kennt die Abläufe und Rituale und lebt diese mit. Sie ist sehr schnell in ihren Reaktionen und Handlungen, erkennt Zusammenhänge, "auch wenn sie ihr nicht gefallen", und weiß genau, wann was von ihr gefordert wird. Allerdings zeigt sie immer wieder ihren starken Willen, und wenn sie etwas nicht will, dann will sie nicht. Laut Erzieherin muss man sie dann in Ruhe lassen, bis sie von sich aus wieder auftaut. Gut, das mache ich zuhause nicht, ich lasse meine Kinder nie in ihren Emotionen allein, aber in der Kita ist das verständlicherweise etwas anderes. Und die Kinder können ja auch zwischen Kita und Zuhause differenzieren.

Sie ist gut integriert in die Gruppe, zeigt überhaupt keine aggressiven Handlungen wie Hauen, Beißen, Treten, wehrt sich aber vehement, wenn andere Kinder ihr Dinge wegnehmen und setzt auch ihre Interessen durch. Dies ist ein deutlicher Unterschied zum Großen, der es in der Kita und überhaupt mit anderen Kindern meist überhaupt nicht schaffte, seine Grenzen zu wahren und seine Interessen durchzusetzen. Dadurch staute sich soviel Unmut an einem Kitatag in ihm an, dass diese Emotionen immer explodierten, wenn ich ihn abholte. Das ist eigentlich erst im letzten halben Jahr bei ihm besser geworden. Die Kleine ist da anders, und das merkt man auch an ihrem Verhalten beim Abholen. Sie kann sich auch gut verständlich machen, was es nicht nur uns, sondern auch den Erziehern relativ leicht macht, mit ihr adäquat umzugehen. Wenn sie allerdings trotz aller Versuche selten einmal nicht verstanden wird, dann wird sie sehr wütend. Das scheint in der Kita genauso zu sein wie zuhause.

Sie ist sehr musikalisch, tanzt und singt gern, kennt viele Liedtexte, hat Rhythmusgefühl und beim Kitasport viel Spaß. Sie beschäftigt sich ruhig, nimmt Angebote bereitwillig an und kann sich auch länger mit Dingen wie Kneten, Malen, Basteln aufhalten. Zuhause ist sie da eher der Unruhegeist. Sie hält sich liebend gern bei der nächstgrößeren Gruppe, in der der Große ist, auf, und hängt sich da ohne Scheu an seine Freunde ran. Dann erzählte die Erzieherin ein paar Anekdoten von der Kleinen und ihrer besten Freundin, von der wir bis vor kurzem noch gar nichts wussten, weil sie zwar alle anderen Kinder zuhause benannte, nur nicht die "beste Freundin". Sie scheint wirklich mit einem Mädchen, das ein halbes Jahr älter ist als sie, aber ähnlich ruhig (in der Kita) ist, ganz dicke zu sein. Sie versorgen sich mit Essen, schauen sich zusammen auf dem Sofa Bücher an und das Lustigste: sie müssen immer zusammen auf die Toilette gehen. Es gibt im Wickelraum 4 Töpfchen und 2 Kindertoiletten, und wenn die Kleine auf die Toilette will, kämpft sie immer dafür, dass ihre Freundin auf der Toilette neben ihr Platz nimmt. Da werden sogar ältere Kinder beiseite gedrängelt. Die Vorstellung ist echt süß, und manchmal möchte man Mäuschen spielen. Ich habe die beiden, ehrlich gesagt, noch nie zusammen spielen gesehen und die Kleine erwähnt sie auch kaum, aber es scheint wirklich die erste richtige Freundin für sie zu sein. Die Mama sprach mich sogar schon mal an, ob wir sie mal besuchen wollten, da war ich völlig überrascht, da ahnungslos. Ich finde es total schön, wenn sie eine vom Temperament her ähnliche Seelenfreundin gefunden hat. Auch mit 2 Jahren braucht man sowas schon!

Traurig wurde ich allerdings, als die Erzieherin berichtete, dass die Kleine doch anscheinend länger, als wir dachten, gebraucht hatte, um richtig in der Kita anzukommen und sich nicht mehr gegen die fremde Umgebung und die unbekannten Menschen zu sträuben. Richtig besser war es wohl erst im Frühherbst 2014 geworden, obwohl sie seit Mai in der Kita war. Irgendein Hebel hätte sich auf einmal umgelegt und ab dann war sie fröhlich und hatte Spaß. So ist das ja immer, es muss Klick machen und das kann man nicht erzwingen. Wir hatten allerdings den Eindruck gehabt, dass es nach den ersten doch eher schwierigen Wochen langsam aufwärts gegangen war. Zumindest war uns damals nichts Gegenteiliges berichtet worden, und ihr Verhalten nach der Kita war auch um vieles positiver als seinerzeit beim Großen. Heute aber mussten wir hören, dass sie wirklich viel geweint hatte und manchmal gar nichts half, so dass sie teilweise vormittags aus Erschöpfung einschlief. Das schockierte mich wirklich sehr und mein Herz blutete noch nachträglich.

Ich merkte an, dass sie aber auch eine "wirklich beschissene Eingewöhnung" gehabt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Personalsituation sehr schlecht und gerade die Kleinsten hingen in der Luft. Die damalige Bezugserzieherin der Kleinen in der Eingewöhnung war eine völlig überforderte, als Erzieherin ungeeignete Person, die die Gruppe aus der Not heraus kurz vorher übernommen hatte und teilweise nicht mal die Namen der Kinder kannte. Sie hatte keine Struktur, keine Wärme und keinen Spaß an ihrem Job, meldete sich ständig krank und kündigte kurz darauf. Die Chemie zwischen der Kleinen und ihr stimmte von Anfang an überhaupt nicht und nichts, was sie tat, konnte die Kleine auffangen. Dann war sie endlich weg und das Loch wurde durch Springer gestopft, so dass überhaupt keine Kontinuität gewährleistet war. Hinzu kam eine Schließwoche nach 2 Wochen Eingewöhnung, die uns auch nochmal zurückwarf. Es war eine wirklich schwierige Situation, in der alle betroffenen Eltern sehr unzufrieden mit der Kita waren und diese Missstände auch immer wieder mokierten.

Ab August 2014 kam Stabilität in die Gruppe durch eine erfahrene Erzieherin (ihre jetzige Bezugserzieherin) und eine neu hinzugekommene Sozialpädagogin, die sich beide sehr herzlich um die Kinder kümmern (auch wenn die Sozialpädagogin an ihrem Umgang mit den Eltern noch arbeiten muss). Diese schafften es, der Kleinen den wohl sehr ausgeprägten Trennungsschmerz zu erleichtern, so dass sie endlich im Kitaalltag ankam. Das hatte ich tatsächlich nicht gewusst, dass es so langwierig gewesen ist. Man sagt ja immer, die zweiten Kinder tun sich leichter mit der Fremdbetreuung, zumal in der Kita des Geschwisterkindes, die sie schon kannte, aber beide Kinder litten gleichermaßen unter einem enormen Trennungsschmerz und wenn ich es recht bedenke, hat das endgültige Ankommen im Kitaleben mit ca. 5 Monaten bei der Kleinen fast ebenso lange gedauert wie beim Großen (wobei es bei ihm eine andere Situation war, weil er die Kita nochmal wechselte). Ein enormes Problem bei beiden Kindern war sehr lange die vormittägliche Müdigkeit, die sich immer durch Geschrei Bahn brach. Soweit ich mich erinnere, bekamen wir auch in der ersten Zeit das Feedback, dass die Kleine vormittags sehr unleidlich, nach dem Mittagsschlaf aber fröhlich war. Ich denke also, dass es eine Kombination aus mehreren Faktoren war, die es der Kleinen anfangs schwer machten. Zum Glück ist das alles überstanden.

Lustig fand ich, dass die Kleine wohl ähnlich wie der Große eine Sauberkeitsfanatikern zu sein scheint und immer, wenn jemand am Tisch kleckert, dieses sofort weggewischt haben will. Im Bad ist sie immer eine der ersten Kinder, die sich ausziehen, und sie zieht sich auch schon fast selbstständig wieder an. Ihr Essverhalten ist eher ungewöhnlich; sie isst Speisen, die die meisten anderen Kinder verschmähen, und typische Kindergerichte isst sie wiederum nicht. Insgesamt ist sie keine gute Esserin, wie zuhause auch.

Zum Schluss wurden noch die beiden problematischen Aspekte seitens der Kita und unsererseits angesprochen. Ihr Laufverhalten bei Spaziergängen ist schwierig (siehe dieser Beitrag). Sie läuft eben einfach keine Strecken. Ich fühlte der Erzieherin mal ein wenig auf den Zahn, wie oft die Gruppe denn spazieren würde. Bisher eher selten, es soll eben nur als Vorbereitung auf längere Ausflüge später mal geübt werden. Außerdem fragte ich, ob denn die gesamte Gruppe mitgehen würde und die jüngeren Kinder besser laufen würden. Da stellte sich heraus, dass sie nur mit den älteren Kindern geht und die Kleine von diesen die drittjüngste ist. Außerdem berichtete ich, dass die Kleine eigentlich generell sehr aktiv ist, im Kitagarten, nachmittags auf dem Spielplatz und in unserem eigenen Garten stundenlang hin- und herläuft, nur eben nicht gern "stupide" längere Strecken läuft. Außerdem ist es für sie attraktiver, im Kitagarten zu bleiben, wo ihr Bruder und dessen Freunde spielen. Die Erzieherin sah ein, dass man sowieso nichts erzwingen kann, dass sie noch sehr klein ist und es außerdem eine Typsache ist. Ich gab ihr noch ein paar Tipps, wie man die Kleine ein wenig animieren kann, aber das ist mit 10 Kindern natürlich schwierig. Im Großen und Ganzen gab sie uns Recht, dass dafür noch ein wenig Zeit ist und war zufrieden, als sie merkte, dass wir bereit sind, mit der Kleinen auch unsererseits ein bisschen zu "üben".

Ich sprach noch an, dass wir seit einiger Zeit das Gefühl haben, dass die Kleine mittags in der Kita zu lange schläft. Es dauert abends unter der Woche oft eine Stunde, bis sie eingeschlafen ist, obwohl ich die Kinder nachmittags noch über den Spielplatz jage. Am Wochenende, wenn sie mittags zuhause kürzer schläft, sind wir abends wesentlich schneller fertig. Ich vermute, dass sich ihr Schlafbedürfnis geändert hat und bat darum, darauf zu achten, dass sie nicht länger als etwas über eine Stunde schläft und vielleicht als eine der Letzten hingelegt wird. Grundsätzlich zeigte sich die Erzieherin da kooperativ, auch wenn ihrerseits natürlich ein Interesse an einem langen Mittagsschlaf besteht. Ich habe aber unsere Perspektive sehr deutlich gemacht und ich glaube, das war mal nötig.

Insgesamt war das Gespräch sehr spannend, informativ und einvernehmlich. Wir erzählten zwischendurch auch kleine Episoden von zuhause, von ihren Eigenheiten und Unterschieden zu ihrem Bruder. Es wurde deutlich, dass sich die Kleine in der Kita schon auch ein wenig anders verhält aus zuhause, aber nicht so extrem wie der Große. Ein Bewerten und Einstufen mit dem Ziel, Mängel in der Entwicklung zu konstatieren, wie es Mama Notes beschreibt, fand in der Form nicht statt oder ich habe es nicht so empfunden, obwohl ich auf so etwas sehr empfindlich reagiere. Aber das ist meiner Meinung nach stark erzieherabhängig. Erzieher sind so unterschiedlich und ich habe schon die verschiedensten Erzieherpersönlichkeiten erlebt. Ich wundere mich immer wieder, dass all diese Menschen, die so verschieden mit Kindern umgehen, die gleiche Ausbildung mit den gleichen Grundsätzen durchlaufen haben. Der Schritt vom sachlichen Vergleich mit anderen Kindern hin zu einer Bewertung ist kurz und nur mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung zu umgehen. Mit der Bezugserzieherin des Großen haben wir da sehr viel Glück und auch die Erzieherin der Kleinen ragt als positives Beispiel heraus. Wobei Letztere tendenziell eher die Eltern in der Verantwortung für das Ändern von Verhaltensweisen sieht, mit denen in der Kita "Probleme" bestehen. Was das betrifft, stimme ich Mama Notes grundlegend zu, wenn sie schreibt: "... daran können die Erzieherinnen arbeiten – ihm das anzubieten, ihn zu leiten, ihn aufzufangen. Aber doch nicht mein Kind! Mein Kind verhält sich genauso, wie es ist, wie es sich fühlt und was es vermag." Eltern können da wenig ausrichten, vor allem, wenn sie einen vermeintlichen Mangel (z.B. Schüchternheit) verständlicherweise gar nicht als solchen sehen oder sich die Situation zuhause ganz anders darstellt. Da ist die Kita gefragt, und gute Erzieherinnen wissen das.

Die Kleine wechselt zusammen mit ca. 10 anderen Kindern aus ihrer Gruppe und ihrer Bezugserzieherin ab August 2015 in den kleinen Elementarbereich. Das wird nochmal eine größere Umstellung für sie. Ich hoffe, dass sie mit ihrem gesteigerten Selbstbewusstsein, ihrem starken Willen, ihrer Durchsetzungsfähigkeit und ihrer Freundin diese gut meistern wird.

Donnerstag, 28. Mai 2015

Drei Blogvorstellungen (#bloggerhausen Runde 2)

Im zweiten Teil der Blogparade "Mein Blog, Dein Blog, Unsere Blogosphäre" des Blogs Terrorpüppi geht es nun darum, sich mit drei anderen der teilnehmenden Blogs auseinanderzusetzen, sich in sie einzulesen und diese vorzustellen. Mir wurden die Blogs Freiraumkind, Noch ne Muddi und Unser-3-Mädel-Haus zugelost. Im ersten Teil der Blogparade hatte ich meine eigene kleine Bloggerwelt vorgestellt und beschrieben, was das Bloggen und andere Blogs mir bedeuten. Jetzt möchte ich in die erwähnten drei Blogs hineinschnuppern und euch neugierig machen.

Der einzige Blog, den ich vor der Auslosung schon kannte, war Noch ne Muddi. Ich bin über ihren Kommentar zu meinem Text Das Scheitern einer Erstlingsmama auf ihren Blog aufmerksam geworden und direkt auf den Text Scream: Vom Schreien kalt erwischt über das Schreien ihres eigenen Babys gestoßen, der aufgrund des ernsten Themas auch den sich sonst durch den Blog durchziehenden schwarzen Humor ausklammert. Die meisten anderen Texte zeichnet eine gewisse Leichtigkeit aus, gepaart mit einem Augenzwinkern bis hin zu beißendem Sarkasmus. Obwohl die Autorin Journalistin ist, hat sie etwas länger gehadert, bis sie ihren Blog online stellte (März 2015), und will auch bis heute nicht zuviel Persönliches preisgeben. Ihr Blogger-Motto ist: "Ich erzähle das, was ich auch auf einer Party erzählen würde." (siehe ihren Text In eigener Sache). Das ist bei mir ganz anders;). Die Autorin hatte ein sehr interessantes Leben, bevor sie ihre Tochter bekam, war viel im Ausland unterwegs etc., und ich stelle mir die Änderungen, die das Leben mit einem Kind mit sich bringt, für so einen aktiven, umtriebigen Menschen ziemlich gravierend vor. Und genau darüber schreibt sie: "Übers Muddi-Sein aus der Perspektive einer Frau, die sich lange nicht vorstellen konnte Muddi zu sein".

Ironisch überhöhte, aber nichtsdestotrotz im Kern wahre Texte sind Warum mein Mann die Brötchen nach Hause bringt, dessen Titel bewusst und gekonnt in die Irre führt, sowie Achtung Lästerei: Nervalarm beim Babyschwimmen. Sehr gelacht habe ich beispielsweise über Chuck Norris an der Babyfront und über Senioren-Invasion oder "Der hat Hunger!", dessen Thema ich auch nur zu gut kenne. Und da ich ja besonders gern ehrliche, schonungslose Texte mag, finde ich es wunderbar, dass der erste Text des Blogs (ich schaue mir oft den allerersten Text an, wenn ich einen Blog entdecke) einer dieser Sorte ist: Tor 1, 2 oder 3?, oder auch: wie das Wochenbett und die erste Zeit mit Kind wirklich ist.

Ein Impressum habe ich nicht gefunden, daher auch keine Mail-Kontaktmöglichkeit, auch eine Suchfunktion und die Kategorien fehlen mir, da ich meist über Schlagworte die mich interessierenden Beiträge suche. Ich persönlich würde gut finden, wenn man schneller das Alter der Tochter finden würde (geboren im März 2014), damit man Alltagstexte besser einordnen kann. Das Schriftbild ist mir etwas zu groß, es macht das Lesen ein bisschen anstrengend, aber das mag eine persönliche Empfindung sein. Ansonsten ist es ein sparsamer, ohne viel Schnick-Schnack auskommender Blog, der durch seine Texte und seinen Humor überzeugen will und dies auch schafft.

Der Blog: https://nochnemuddi.wordpress.com/
Facebook: https://www.facebook.com/nochmemuddi
Twitter: https://twitter.com/nochnemuddi (leider kein Link auf dem Blog)


Der zweite von mir vorzustellende Blog ist Freiraumkind, der auch erst seit März 2015 existiert, aber in der kurzen Zeit schon ziemlich erfolgreich geworden ist. Was mir an dem Blog jedesmal wieder auffällt, ist, dass der Header nicht angezeigt wird, wenn man Unterseiten aufruft. Da ich mir oft diverse Webseiten zum Später-Lesen offenlasse, weiß ich im ersten Moment gar nicht, auf welchem Blog ich mich befinde. Die Autorin Bella hat 2 Söhne, geboren 2012 und 2015, über die man auch einige Eckdaten erfahren kann. Durch Lilypie-Banner weiß man immer sofort, wie alt die Kinder gerade sind, was ich gut finde, weil ich dann Beiträge sofort im Lichte des entsprechenden Alters lesen kann. Der ältere der beiden Söhne, Papaso, hat eine seltene Krankheit, ein Lymphangiom, was die Familie verständlicherweise sehr belastet und beschäftigt. Wahnsinnig berührend und schockierend finde ich den Bericht ...und keiner weiß, wie's weitergeht. Mein Kind ist krank, in dem Bella beschreibt, wie die Familie kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes erstmals mit der Krankheit konfrontiert wird. So etwas möchte doch wirklich keiner erleben, erst recht nicht im Wochenbett!

Schöne Texte sind beispielsweise S wie Samstag im Schlafanzug und Ängste und andere Sorgen.
Über den Blognamen habe ich schön öfter nachgedacht, weiß aber immer noch nicht so richtig, was er bedeuten soll, auch wenn ich ihn gut einprägsam und wiedererkennbar finde. Vielleicht habe ich auch einen Text darüber überlesen? Eine Suche und ein Archiv vermisse ich etwas, dafür gibt es aber die Kategorien. Aber wo sind die übrigen Beiträge zu finden, die nicht in diese Kategorien passen? Viele schöne Fotos sind im Blog enthalten, vor allem natürlich bei den Wochenenden in Bildern. Sie schreibt auch Gastbeiträge, wie zuletzt erst Wir haben unser Traumhaus gebaut bei Zwergenzimmerchen. Freiraumkind ist sehr aktiv auf Twitter und Facebook und hat in kurzer Zeit schon eine Fangemeinde gesammelt.

Der Blog: http://www.freiraumkind.de/
Facebook: https://www.facebook.com/pages/Freiraumkind/338082616381871?fref=ts
Twitter: https://twitter.com/Freiraumkind
Instagram: http://instme.com/profile/freiraumkind_blog


Der dritte Blog, den ich vorstellen möchte, heißt Unser-3-Mädel-Haus. Der Titel zeigt gleich, um was es geht. Seit Februar 2014 bloggt Chrissie, Mama von 3 Mädchen und Soldatenfrau, d.h. zeitweise "alleinerziehend". Das Design ist schlicht, angenehm und übersichtlich. Verwirrend fand ich, dass in der Vorstellung Über mich einerseits die Rede von "bald 3 kleinen Wirbelwinden" ist, andererseits die Namen von nur 2 Töchtern erwähnt werden. Ich musste etwas im Archiv blättern, bis ich herausfand, dass das 3. Kind im Juli 2014 auf die Welt gekommen ist. Wie alt die anderen beiden Kinder sind, findet man leider nicht auf den ersten Blick. Das interessiert mich als Leserin aber sofort, wenn ich mich in einen Blog einlese. Vielleicht könnte der Über-Mich-Text etwas überarbeitet werden?

Die Beiträge sind sehr vielseitig und beschreiben viel Alltagsleben, wöchentliche Glücksmomente, Bastel- und Backtipps, gespickt mit vielen schönen Fotos, die das Lesen auflockern. Texte, die ich gern empfehlen möchte, sind zum Beispiel Wieviel Nein muss sein, wo sehr schön die Unterschiedlichkeit bei Geschwisterkindern beschrieben wird und die Tatsache, dass das, was bei dem einen Kind funktioniert, bei dem anderen so gar nicht hilft. Das kann ich alles aus meiner Erfahrung bestätigen und lese Ähnliches immer wieder gern. Auch der Beitrag Es ist alles nur eine Phase sprach mich sehr an, da ich mit meinem Großen ein ähnliches Kind wie die mittlere Tochter von Chrissie zuhause habe, der sich in so einer Situation genauso verhalten würde wie sie. Das ist einfach eine Charaktersache, die man nicht verbiegen oder "umerziehen" kann. Über ihre rasante 3. Geburt berichtet sie hier. Wer noch ein bisschen mehr über Chrissie erfahren möchte, der lese Falls ihr euch gefragt habt, wer ich eigentlich bin. Ich bewundere, wie sie ihr Leben mit den drei Töchtern wuppt, wenn ihr Mann temporär nicht zur Verfügung steht. Auch finde ich es spannend und toll, dass ihr Mann, der Soldat, in Elternzeit gegangen ist. Das ist also durchaus möglich, und darüber würde ich gern noch mehr lesen.

Ein Impressum, eine Kontaktmöglichkeit und eine Suchfunktion vermisse ich auch hier. Mir ist aufgefallen, dass es nur sehr wenige Kommentare gibt. Falls mehr Austausch gewünscht wird, müsste man wahrscheinlich aktiver in den Social Media werden. Soweit ich sehe, gibt es keinen Twitter- oder Facebook-Account. Aber vielleicht schreibt Chrissie ja auch eher für sich selbst, das mag jeder so handhaben, wie er/sie gern möchte. Ich finde Unser-3-Mädel-Haus einen schönen Blog, der durchaus ein bisschen mehr Werbung machen könnte.

Der Blog: http://chrissie-blogt.blogspot.de/

Es hat Spaß gemacht, mir drei zufällig zugeteilte Blogs einmal näher anzusehen und mich in andere Lebenswirklichkeiten intensiv einzufühlen. Und es fallen einem Dinge auf, die man auf dem eigenen Blog erstmal überprüft;). Ich bin gespannt auf die weiteren Beiträge!

Freitag, 22. Mai 2015

Auf der Wochenstation mit der Kleinen im Mai 2013

Die Zeit auf der Wochenstation nach der Geburt der Kleinen war eine ebenso traumhafte Erfahrung wie die Geburt an sich. Ich hatte ein Einzelzimmer zum Selbstzahlerpreis bestellt und habe es auch bekommen. Die Wochenstation war im Gegensatz zum März 2011 relativ leer, deshalb war es schön ruhig und die Schwestern waren nicht gestresst. Ich habe die Zeit sehr genossen und mich richtig erholt. Mir ging es gut und trotzdem habe ich die meiste Zeit des Tages mit der Kleinen im Bett gelegen und entspannt. Das hat mir gut getan und ich war, als ich nach 4 Tagen nach Hause ging, topfit. Es gab nichts, womit ich mich wie im Wochenbett des Großen noch wochen- oder monatelang herumquälte.

Nach der Geburt am Montag, 6. Mai 2013 bezogen die Kleine und ich gegen 9:30 Uhr unser Einzelzimmer. Dann kam der frischgebackene Zweifachpapa zu Besuch und bestaunte sein Töchterchen. Sie schlief viel, alles war sehr entspannt und so anders als beim Großen. Mein Mann blieb einige Stunden, fuhr dann wieder nach Hause und holte den Großen von der Kita ab. Danach wollten sie mich besuchen kommen. Ich war sehr gespannt, wie das ablaufen würde und wie der Große reagieren würde. Wir hatten ein Geschenk für ihn, was die Kleine ihm sozusagen mitbrachte.

Als ich die beiden im Flur trappeln hörte, legte ich die Kleine schnell in ihr Bettchen, damit ich den Großen in meine Arme nehmen konnte. Er sollte nicht gleich mit Eifersucht in die Geschwisterbeziehung starten. Es klappte! Er verhielt sich völlig gelassen, war überhaupt nicht verwirrt oder durcheinander, hatte ja auch zum Glück von dem morgendlichen Aufbruch nichts mitbekommen. Für ihn war es bis dahin ein ganz normaler Tag und nun besuchte er seine Mama im Krankenhaus. Das Baby musterte er interessiert, streichelte sie zärtlich und später legten wir sie auf mein Bett, so dass er sich daneben legen konnte. Er nahm die Situation wie selbstverständlich hin. Als sie einmal weinte und ich sagte, dass sie wohl Hunger hat, meinte er total liebevoll und herzergreifend süß: "Hier Gu-bärchen!" Er war 26 Monate alt.


Dann gaben wir ihm sein Geschenk, einen etwas größeren Bagger, und er spielte eine Weile damit. Er rief begeistert: "Guck mal (Kleine), (Großer) hat Bagger!". Ich glaube, der Papa holte mit ihm noch ein Eis aus der Kantine und so war er rundum glücklich. Alle meine Bedenken waren verflogen. Auch der Abschied war ruhig und er ging mit dem Papa allein nach Hause. Ich war schon erleichtert, als sie nach ca. 1 1/2 Stunden wieder weg waren, es strengte mich doch sehr an. Und ich war heilfroh, nicht nach Hause zu müssen, sondern mich im Krankenhaus ausruhen zu können.

Die restlichen Stunden verliefen sehr ruhig, die Kleine schlief viel und ich konnte entspannen. Es war wirklich herrlich, allein mit dem Baby zu sein. Mein Mann rief mich dann noch an, als der Große im Bett war, berichtete, dass alles gut geklappt und er noch viel vom Krankenhaus erzählt hatte. Seine letzten Worte vor dem Einschlafen waren wohl: "meine (Name der Kleinen)". Dann verbrachten wir die allererste Nacht getrennt voneinander, mein Großer und ich.

Nachdem die Kleine fast den ganzen Tag verschlafen hatte, drehte sie um 22 Uhr auf, als ich gerade schlafen gehen wollte. Sie schrie und schrie und nichts, was ich tat, beruhigte sie. Ich war ziemlich ratlos und befürchtete schon ähnliches wie beim Großen. Wahrscheinlich verarbeitete sie einfach die Geburt und den Tag, aber für mich war es eine so hilflose Situation, die bis um 1:30 Uhr anhielt. Zum Glück trat so etwas mit ihr in den ersten Monaten nur noch ein weiteres Mal auf. Ich erinnerte mich aber gleich wieder lebhaft daran, wie wir uns monatelang mit dem Großen gefühlt hatten und wie schrecklich es für Eltern ist, wenn sie ihr Kind nicht beruhigen können.

Ab 1:30 Uhr war dann Ruhe und sie schlief bis 8 Uhr morgens durch. Unglaubliches Kind! Die nächsten Tage Dienstag und Mittwoch waren total schön und entspannt. Ich konnte mich super gut regenerieren und gleichzeitig alles machen, was notwendig war (Essen holen, wickeln, zu den Untersuchungen gehen). Mein Mann brachte den Großen in die Kita, machte zuhause Ordnung und kam dann jeweils 2-3 Stunden zu Besuch. Am Nachmittag besuchte er uns dann noch einmal für ein Stündchen zusammen mit dem Großen, der sich wunderbar und ausgeglichen verhielt. Das ließ mir genug Zeit, um zu schlafen oder zu dösen und einfach mal nichts zu tun. Ich lag viel mit der Kleinen auf dem Bauch auf meinem Bett. Die Mahlzeiten konnte ich in Ruhe zu mir nehmen. Ich wurde kaum gestört. Es waren ohne Zweifel die schönsten Tage in den davorliegenden 26 Monaten Dauerstress seit der Geburt des Großen. Wäre ich nach Hause gegangen, hätte ich mich viel zu früh wieder um den Haushalt und den Großen gekümmert, statt mich auszuruhen. Das hätte sicherlich Tribut gefordert. So aber war es die ideale Lösung für mich und ich fühlte mich total wohl, zufrieden und ausgeglichen. Wenn ich es mit der Zeit auf der Wochenstation mit dem Großen vergleiche, war es diesmal das Paradies. So habe ich es auch in diesen Tagen empfunden und es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

Am Mittwoch fand die U2 der Kleinen statt und ich hätte danach nach Hause gehen können, entschied aber, die Ruhe auszunutzen und noch einen Tag länger im Krankenhaus zu bleiben. Da die Wochenstation ziemlich leer war, gab es da kein Problem. Am Mittwoch waren meine Eltern angereist und kamen am Nachmittag zusammen mit meinem Mann und dem Großen zu Besuch. Das war mir schon zuviel Trubel und ich war froh, mich noch bis zum Donnerstag Nachmittag ausruhen zu können. Wir entschieden, dass mein Mann und der Große uns nach dem Mittagsschlaf zuhause (es war ein Feiertag) abholen würden. Ich hatte dann am Donnerstag, 9. Mai 2013, meine gynäkologische Abschlussuntersuchung, ruhte mich noch einmal richtig aus und gegen 15:30 Uhr kamen die beiden Männer und wir verließen die Klinik. Der Große trug mit meinem Mann die Babyschale. Im Fahrstuhl lächelten uns die älteren Damen an und stellten sofort fest, dass das Baby trotz der blauen Klamotten ein Mädchen ist. Die ganze Situation war so schön und ich fühlte mich genügend regeneriert, um in den Alltag zu starten. Über die Wochenbettzeit und die ersten Monate berichte ich demnächst.

Ich bin sehr froh, dass ich mich entschieden hatte, allein mit der Kleinen im Krankenhaus zu bleiben. Diese 4 Tage haben mir soviel Kraft und Erholung eingebracht wie lange nicht mehr. Ich sah nicht, was zuhause zu tun war, ich war nicht für die Bedürfnisse des Großen zuständig, sondern nur für mich und das Baby. Das war das Allerbeste für mich. Natürlich war es ein Glücksfall, dass mich die Geburt nicht so geschlaucht hatte wie beim ersten Mal, dass es mir gut ging, keine Komplikationen auftaten und die Kleine so ruhig war. Aber man muss ja auch mal Glück haben, nicht?! Vor allem bei meiner Vorgeschichte. Es war wunderschön und paradiesisch und genau die richtige Entscheidung für uns. Für die Bindung zwischen der Kleinen und mir war es Gold wert und ein schöner Start ins gemeinsame Leben. Und der Große und der Papa meisterten die Situation zuhause ebenso phantastisch. Alles Weitere zu einem späteren Zeitpunkt.

Dienstag, 19. Mai 2015

Über meine Kindererfahrungen, Elternschaft und Erziehung in der DDR

Mama Notes hat zu einer Blogparade über Elternschaft und Kindererziehung in der DDR aufgerufen. Schon der auslösende Text von Sarah von Mamaskind nötigte mich, einen längeren Kommentar zu verfassen, weil meine Erfahrungen in einigen Bereichen anders waren als die in Sarahs Familie. Verständlich, handelt es sich doch schon um eine etwas andere Zeit, von der Sarah berichtet, und die individuellen Familienumstände sind auch nicht außer Acht zu lassen. Aber ich denke, verschiedene Berichte sind gerade interessant und bereichern die Blogparade. Meine Rückschau wird umfangreich, ich hab den Text aber zur besseren Lesbarkeit gegliedert. Es ist ein persönlicher Ausschnitt aus meinem Leben in der DDR und erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Objektivität.

Meine Laufbahn:
Ich bin 1974 geboren und war zur Wende 15 1/2 Jahre alt, habe also fast das gesamte Bildungssystem der DDR durchlaufen. Ich möchte hier eine Mischung aus eigenen Erfahrungen, Erinnerungen und Gedanken und Berichten meiner Eltern erzählen, zu denen mir auch einige Unterlagen vorliegen. 1981 bin ich in die Schule (Polytechnische Oberschule, die für 10 Jahre angelegt war) gekommen. Die ersten 4 Jahre war man Mitglied der Jungpioniere, dann wechselte man zu den Thälmannpionieren und mit 14 Jahren in die FDJ (Freie Deutsche Jugend) mit dem blauen Hemd. Es gab nur wenige Kinder, die aus religiösen Gründen die Mitgliedschaft verweigerten. Unsere Familie kam übrigens aus dem evangelischen Kontext und ich war getauft. Ebenfalls mit 14 Jahren fand die Jugendweihe statt, ein Übergangsritual ins Erwachsenenalter. Das war bei mir 1989. In unserer Klasse gab es, wenn ich mich richtig erinnere, 2 Jugendliche, die die Jugendweihe verweigerten. Ich entschied mich sowohl für die Jugendweihe als auch für die christliche Konfirmation, die im darauffolgenden Jahr, also kurz nach der Wende, durchgeführt wurde. Meine Eltern haben mir da freie Hand gegeben. Von Kind an bin ich in die Christenlehre und später den Konfirmationsunterricht gegangen. Ich erinnere mich, dass unsere Staatsbürgerkundelehrerin, die in der Nähe wohnte, immer beobachtete, welche Kinder ins Gemeindehaus gingen. Es gab auch in der Schule bis zur Wende ab und zu Gespräche mit meinen Eltern, aber da wir zumindest halbwegs systemkonform waren, erfuhren wir da keine Benachteiligungen.

Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich mich in der 8. Klasse für die Erweiterte Oberschule (Vorbereitung für das Abitur) bewarb. Diese durften die Besten eines Jahrgangs von der 9. bis zur 12. Klasse besuchen und die Hochschulreife erwerben. Soweit ich mich erinnere, gab es davon nur einige wenige Schulen in unserer Stadt von 300.000 Einwohnern. Notenmäßig hätte ich eigentlich akzeptiert werden müssen, wurde aber abgelehnt. Es war klar, dass dies eine Schikane wegen unseres christlichen Hintergrundes war. Ich war schon ziemlich frustriert darüber, hatte ich doch alles, was möglich war gemacht, war immer im Gruppenrat (Klassenvertretung) aktiv gewesen, hatte Russisch-Nachhilfe gegeben, hatte eine Brieffreundschaft mit zwei Mädchen aus der Sowjetunion und war bis zur Wende  grundsätzlich vom Sozialismus überzeugt. Da ich sehr idealistisch war, wusste ich schon, dass in dem System vieles schief lief und wollte deshalb für einen "besseren Sozialismus" kämpfen. Allerdings verweigerte ich zum Beispiel die Mitgliedschaft in mir überflüssig erscheinenden Organisationen wie der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Dafür musste ich zum Gespräch bei der Direktorin antreten, was sehr unangenehm war.

Ab der 5. Klasse hatte man obligatorischen Russisch-Unterricht, ab der 7. Klasse konnte man eine zweite Fremdsprache wählen. Bei uns gab es nur die Wahl zwischen Englisch und Französisch (ich entschied mich für Englisch), in wenigen Schulen waren auch andere Sprachen möglich. Ab der 7. Klasse musste man in einem Betrieb am Unterricht ESP (Einführung in die sozialistische Produktion) und PA (Produktive Arbeit) sowie TZ (Technisches Zeichnen) teilnehmen. ESP war furchtbar langweilig, in PA mussten wir Schüler tatsächlich bei der Produktion des Betriebes mithelfen und TZ lag mir wenigstens etwas. Wenn ich mit Fragen nach meinem Berufswunsch konfrontiert wurde, was im betrieblichen Unterricht immer wieder der Fall war, fühlte ich mich völlig überfragt. Noch heute weiß ich nicht, welchen Berufsweg ich in der DDR eingeschlagen  hätte. In der 10. Klasse gab es Astronomieunterricht, an den ich mich positiv erinnere. Wir hatten sogar eine kleine Sternwarte auf dem Dach unserer Schule.

Zurück zur Erweiterten Oberschule, die ich eigentlich ab Herbst 1989 besuchen wollte. Ich wurde also aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Zum Glück kam die Wende dazwischen, die auch im Schulsystem sofortige Änderungen mit sich brachte. Relativ schnell nach dem Zusammenbruch der DDR wurden zusätzliche "Leistungsklassen" auf den Erweiterten Oberschulen eingerichtet. Ich bewarb mich sofort und bekam als eine der ersten eine Zusage. Die letzten 3 Schuljahre (10.-12. Klasse) verbrachte ich dann auf der bald in Gymnasium umbenannten Erweiterten Oberschule. Das war eine sehr harte Zeit mit langen Schultagen. Der neue Stoff des West-Abiturs musste mit dem alten Lehrpersonal aufgearbeitet und in ein Jahr weniger Abiturszeit hineingepresst werden. Ich war heilfroh, als ich die Schulzeit 1993 hinter mich ließ. Die letzten Jahre waren sehr merkwürdig, die Lehrer unsicher und überfordert, die Eltern arbeitslos oder von Existenzängsten geplagt, es war ein Schwebezustand zwischen Osten und Westen, den ich 1993 endgültig hinter mich ließ, als ich als Au Pair-Mädchen nach London zog. Dort lernte ich die westliche Welt erst so richtig kennen und entfernte mich mental weit von meiner Familie, meiner Geburtsstadt und meinem bisherigen Leben. Es war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Nach einem Jahr ging ich zum Studium nach Berlin, wo ich Ost und West perfekt vereinen kann und was meine Heimat geworden ist. Wir leben übrigens in einer Wohnung direkt mit Blick auf den früheren Mauerstreifen, wo jedes Jahr im April die japanischen Kirschbäume, die in Erinnerung an den Mauerfall gepflanzt wurden, blühen und die mein Blogheader zeigt.

Meine Erinnerungen:
Vieles sind naturgemäß nur Erinnerungsfetzen, die aus meiner individuellen Empfindung und unserer Familiensituation herrühren. Ich erinnere mich an Samstagsunterricht, den ich als ungerecht empfand, weil meine Eltern "frei" hatten. Wir Kinder kamen nach Hause und meine Eltern waren in den letzten Zügen des Haushaltsputzes, was kein schöner Empfang ins Wochenende war. Der Samstagsunterricht wurde erst in der Wendezeit abgeschafft. Ich erinnere mich an Ferienlager, in denen ich vor Heimweh fast verging. Ich erinnere mich an Unterricht zur Nullten Stunde (Beginn 6:35 Uhr), was für mich eine Qual war. Ich erinnere mich daran, dass ich mich nach der Schule stundenlang beim Obstladen anstellen musste, weil Südfrüchte angekündigt waren. Ich erinnere mich daran, dass eine Bekannte uns Kindern Forumschecks (Bezahlmittel im Intershop) schenkte. Meine Großeltern durften auch ab und an zu Familie nach West-Berlin und Hamburg reisen und brachten einige Kleinigkeiten mit. Ich erinnere mich an 1. Mai-Demonstrationen und den Streit um das Raushängen der Fahnen am 7. Oktober. Ich erinnere mich an unseren Urlaub im Sommer 1989 in der Tschechoslowakei, in dem uns westdeutsche Urlauber prophezeiten, dass es nicht mehr lange mit der DDR weitergehen würde. Völlig utopisch! Einmal fuhren wir soweit wie möglich an die Grenze zur BRD heran (Sperrgebiet) und ich empfand sowohl Angst als auch Neugier. Ich bekam auch mit, dass über Ungarn schon eine rege Fluchtwelle erfolgte. An die Ausreiseerlaubnis für die in der Prager Botschaft wartenden Menschen durch den berühmten Genscher-Auftritt am 30. September 1989 kann ich mich aber nicht erinnern.

Am 7. Oktober 1989, dem Nationalfeiertag der DDR, nahmen wir wie immer an Demonstrationen teil. Die Stimmung war schon sehr aufgeheizt und rebellisch. Nach Auflösung der Demonstrationen kam es zu Tumulten und zu Übergriffen der Polizei mit Schlagstöcken. Ich war als 15-jähriges Mädchen keine 10 Meter davon entfernt, kam völlig aufgelöst und verwirrt nach Hause und verlor ein großes Stück des Vertrauens in meinen Staat. Ich erinnere mich gut an den Machtwechsel im Oktober 1989, als Honecker von Krenz abgelöst wurde. Wir waren gerade im Urlaub. Ich erinnere mich nicht an den 9. November 1989, wohl, weil wir die Pressekonferenz mit Schabowski gar nicht live im Fernsehen verfolgten. Ich erinnere mich aber dann an den Samstag, 11. November 1989, als wir dem Unterricht unentschuldigt fernblieben und uns in eine kilometerlange Autoschlange auf dem Weg zur Grenze einreihten. Nachdem wir schon den halben Tag im Stau verbracht hatten und keine Aussicht auf Weiterkommen war, entschieden meine Eltern, dass wir umkehren würden. Ich weiß noch, wie sauer und enttäuscht ich war. Am folgenden Montag musste ich mich zusammen mit einem anderen Schüler unserer Klasse wegen unseres Fehlens rechtfertigen. Wir logen beide, wussten aber gleichzeitig, dass der Lehrer ahnte, wo wir (nicht) gewesen waren. Ich erinnere mich an den Samstag, 18. November 1989, wo wir einen erneuten Versuch unternahmen und noch in der Nacht nach Berlin fuhren. Diesmal klappte es und die U-Bahn brachte uns nach West-Berlin. Meine Eltern holten das Begrüßungsgeld ab. Wir bestaunten Supermärkte und Obststände. Ich weiß noch, wie mein Bruder an einem Süßigkeitenstand, der nach Gewicht abrechnete, soviel Süßkram in seine Tüte schaufelte, dass fast sein gesamtes Begrüßungsgeld weg gewesen wäre. Natürlich schütteten meine Eltern das wieder aus;). Ich erinnere mich nicht, was ich mir kaufte; vermutlich nur Kleinigkeiten, ich wollte lieber sparen. Ich weiß auch nicht mehr, wann wir das nächste Mal in den Westen fuhren, nachdem wir tief in der Nacht aus Berlin zurückgekehrt waren.

Ich nahm im Winter 1989 zusammen mit meinem Papa an vielen Montagsdemonstrationen teil, die anfangs noch an einer Verbesserung des Sozialismus interessiert waren. Vereinzelte Parolen wie Wiedervereinigung, Einführung der D-Mark etc. waren auch zu diesem Zeitpunkt noch völlig utopisch. Sie liefen immer sehr friedlich ab, eine gewisse Unsicherheit war aber immer vorhanden. Nach und nach wandelten sich die Ziele der Montagsdemos und ich nahm nicht mehr teil. Im März 1990 flogen wir mit der Klasse nach Moskau und besichtigten die einschlägigen Tagesordnungspunkte (Lenin-Mausoleum etc.). Das war so ein merkwürdiger Zwischenzustand zwischen der alten und der neuen Zeit, keiner wusste, was noch galt und was man sich schon erlauben durfte, und ich habe das als starke Verunsicherung empfunden. Bei der Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 ärgerte ich mich wahnsinnig darüber, dass ein Teil meines kindlichen Sparguthabens verloren ging. Ich hatte jedes Geburtstagsgeld gespart, auch schon als Schülerin gearbeitet und empfand es als sehr ungerecht, dass ich nun soviel weniger hatte. An meine Eltern dachte ich nicht;). Meine Mutter war 1990 arbeitslos geworden, weil ihre Firma abgewickelt wurde, wir waren in eine größere Wohnung gezogen, die Preise und Mieten explodierten und der Job meines Vaters stand auch zeitweise auf der Kippe.

Die Wiedervereinigung selbst kann ich kaum rekapitulieren, man sieht daran, wie das kindliche/jugendliche Gehirn filtert. Ich erinnere mich an viele Wahlkampfplakate im Jahr 1990. Die äußeren Umstände veränderten sich drastisch, die Menschen blieben dieselben, auch wenn sie plötzlich anders klangen. Unsere Direktorin wurde abgesetzt und neuer Direktor wurde ein unbelasteter Mathematiklehrer, ein Einzelgänger, vor dem wir immer Angst gehabt hatten. Insgesamt denke ich, dass die Wende gerade rechtzeitig für mich kam, um mich gut umstellen und meinen eigenen Weg gehen zu können, was in der DDR sicherlich so nicht möglich gewesen wäre.

Kindererziehung und Familie:
Nun zu dem, was ich über die Kindererziehung weiß. Meine Mutter war 26, als ich 1974 geboren wurde, was für damalige Verhältnisse relativ spät war. Meine Eltern wohnten in einer Ein-Zimmer-Wohnung und zogen kurz nach meiner Geburt in eine Zwei-Zimmer-Wohnung, wo wir später dann zu viert bis 1990 wohnten. Meine Geburt musste eingeleitet werden und wird von meiner Mutter als schrecklich beschrieben. Im Kreißsaal lagen mehrere Gebärende, mit Stofftrennwänden getrennt. Im Wochenstationszimmer waren 6 frisch entbundene Frauen. Die Babys wurden immer zum Stillen alle 4 Stunden gebracht und sicherlich auch schon mit Säuglingsmilch gefüttert. Nach einer Woche wurden wir nach Hause entlassen. Der Entlassungsschein des Krankenhauses (siehe Bild) erwähnt als Nahrung "Muttermilch und Milasan". Für die darauffolgenden Tage wurden genaue Dosierungen der Säuglingsmilch vorgegeben, die, wenn man den empfohlenen Fütterrhythmus berücksichtigt, fast schon den ganzen Tag umfassten.


Viel gestillt wurde ich wahrscheinlich nicht, und vor allem nicht lange. Schon früh wurde Tee gegeben und ab ca. 3-4 Monate zugefüttert. Allerdings wurde das Stillen bis zum Alter von 6 Monaten mit 10 Mark pro Monat gefördert. Da noch zwei unbenutzte Auszahlungsanweisungen in der Mütter- und Stillkarte meiner Mama enthalten sind, gehe ich davon aus, dass ich maximal bis zum 4. Monat ergänzend (nicht voll) gestillt wurde. Die Vorsorge und Überwachung war ausgezeichnet: im gesamten ersten Lebensjahr sollten Mütter einmal im Monat die Mütterberatungsstelle aufsuchen, wo sie unterstützt und die Kinder geimpft wurden.


Ging man regelmäßig zu den Schwangerschafts- und Säuglingsuntersuchungen, erwarb man den Anspruch auf eine staatliche Geburtenbeihilfe von 1000 Mark pro Kind (große Summe!). Daneben gab es Kindergeld, einen Mutterschutz von 18 Wochen und zinslose Kredite, deren Summe sich bei der Geburt von Kindern nach und nach reduzierte (alles Stand 1974). Ab dem zweiten Kind wurde ein ganzes Jahr Erziehungszeit bei voller Lohnfortzahlung garantiert. Für berufstätige Mütter gab es einen bezahlten "Haushaltstag" im Monat. Der Urlaubsanspruch war mit Kindern etwas höher.


Die meisten Kinder kamen tatsächlich relativ früh in eine Krippe. Meine Mutter blieb insgesamt 5 Jahre mit uns beiden Kindern (mein Bruder wurde 1976 geboren) zuhause. Als wir zum 1. Geburtstag keinen Krippenplatz im Wunschkindergarten erhielten, ließ sie mich zuhause und ich kam erst mit 3 Jahren in Betreuung. Da hatte sie zwischenzeitlich schon meinen Bruder geboren. Ihn gab sie dann auch mit 3 Jahren in den gleichen Kindergarten. Man sieht also, dass es nicht nur möglich, sondern auch praktiziert wurde, länger mit Kind zuhause zu bleiben. Ein gleichaltriger Freund von uns ging bis zur Schule in gar keine Betreuungseinrichtung. Mag sein, dass ein christliches Milieu dafür prädestinierter war; es wurde aber nie religiös begründet. Meine Mutter hatte in dieser Zeit keinen festen Arbeitgeber, arbeitete zeitweise etwas von zuhause aus, aber im Grunde kam die Familie mit einem Gehalt aus. Nachdem beide Kinder im Kindergarten waren, stieg meine Mutter wieder Vollzeit in einen neuen Job ein. Beides, die lange Kinderbetreuung zuhause als auch eine Vollzeittätigkeit mit kleinen Kindern, kann ich mir für mich selbst nicht vorstellen. Nachdem wir 3 Jahre zuhause waren, bedeutete das Arbeiten meiner Mutter, dass wir dann mindestens 9 Stunden im Kindergarten waren. Meine Mutter brachte uns zu 6:45 Uhr und holte uns um 16 Uhr ab, dazwischen lagen mindestens 8,5 Stunden Arbeit. Eine Eingewöhnung gab es nicht, und ich habe wohl viel geweint. An die Kindergartenzeit habe ich kaum Erinnerungen.

Das Töpfchentraining kenne ich auch, habe es aber, als ich selbst Mama wurde, trotz der Ost-Prägung nie angewandt. Wahrscheinlich war ich einfach schon lange genug aus meiner Geburtsstadt weg. Meine Schwägerin allerdings, die zwar 10 Jahre jünger ist als ich, aber in der prägenden Umgebung geblieben ist, wendet dieses Töpfchentraining tatsächlich schon länger bei ihrem einjährigen Sohn an. Ich habe das für völlig überholt gehalten. Sie praktiziert aber auch andere Einschlafmethoden als ich, was sicherlich unter anderem mit dem Einfluss des Umfelds zusammenhängt.

Bis zur 4. Klasse wurden wir nach dem Unterricht im Schulhort betreut, ab dann gingen wir allein nach Hause und beschäftigten uns, bis die Eltern von der Arbeit kamen. Das war gar kein Problem. In den Ferien (u.a. 3 Wochen Winterferien und 8 Wochen Sommerferien) waren wir nach der 4. Klasse meist allein zuhause. Da meine Großeltern nur ein paar Häuser weiter wohnten, hielten wir uns oft dort auf bzw. mit ihnen in unserem Garten. Auch spielten wir oft selbstständig in unserem Wohngebiet mit den vielen anderen Kindern. Wir hatten nur eine Zwei-Zimmer-Wohnung und schliefen lange im Schlafzimmer meiner Eltern, bis mein Vater ein Dachzimmer ausbaute und zum Schlafen herrichtete. Erst 1990, im Alter von 15 Jahren, bekam ich durch unseren Umzug ein eigenes Kinder- bzw. Jugendzimmer. Mit 19 bin ich dann ausgezogen. Da meine Eltern nicht ins Plattenbaugebiet ziehen wollten, mussten wir so lange auf eine große Altbauwohnung warten. Die Vier-Zimmer-Wohnung erhielten wir nur durch ein Tauschgeschäft, Telefon hatten wir ebenfalls erst ab 1990, ein Auto dagegen schon immer.

Nach der Wende machten wir die ersten Urlaubsreisen in den Westen, nach Griechenland, London und Paris. Meine Mutter hatte eine mehrmonatige Umschulung absolviert und bekam dann wieder einen guten Job. Mein Vater hatte bis zu seiner Rente immer Existenzsorgen, aber sein Betrieb bestand weiter und er hatte Glück. Ich arbeitete zeitweise in der anstrengenden Gymnasiumszeit noch nebenher und in den Ferien, so dass ich für mein Leben nach der Schulzeit einen kleinen Grundstock hatte. 1993, mit 19 Jahren, kehrte ich meiner Geburtsstadt den Rücken, ging nach London und dann nach Berlin. Mein Bruder blieb dort, machte eine Ausbildung und wohnt bis heute in der Nähe meiner Eltern. So unterschiedlich können auch DDR-Lebensläufe sein.

Das war ein kleiner Ausschnitt aus meinem Leben als Kind in der DDR. Es ist immer wieder interessant, wie verschieden die Erfahrungen zum Teil sind und deshalb natürlich nur einen kleinen, individuellen Ausschnitt repräsentieren können. Das muss man immer im Hinterkopf behalten. Freunde und Verwandte, auch mein Mann, haben andere Erfahrungen gemacht. Die Vielfalt verschiedener Beiträge ergibt das Gesamtbild.

Dies war mein Beitrag zur Blogparade von Mama notes .

Samstag, 16. Mai 2015

Wieder zu viert

Die Zeit als Ein-Kind-Eltern ist schon wieder vorbei. Heute nachmittag hat mein Mann den Großen auf halber Strecke von den Großeltern übernommen. Seit 17 Uhr sind wir wieder zu viert. Meine Eltern hatten ihn ja an unserem vorletzten Urlaubstag, am Mittwoch nachmittag, mit zu sich genommen. Drei Nächte war er also bei ihnen, wie meistens. Laut meinen Eltern ging wohl alles problemlos vonstatten. Wie zuhause forderte er allerdings eine permanente Bespaßung und Beschäftigung ein, was auch für sie jedesmal sehr anstrengend ist.

Die Kleine und ich waren heute ab Mittag allein zuhause und verbrachten einen total entspannten Nachmittag. Ich bepflanzte unsere Blumenkästen, machte einen kleinen Kuchen, sie beschäftigte sich ganz lange mit Tüchern und Kegelspiel, kam ab und an zu mir, wenn sie etwas wollte, ließ mich aber ansonsten mein Ding machen. Das war so schön. Ehrlich gesagt, so habe ich mir das Leben mit Kindern vorgestellt, und so kann ich es auch nicht nur ertragen, sondern sogar genießen. Man liest wahrscheinlich schon heraus, dass das sonst bei uns nicht der Fall ist. Nein, so gut wie nie. Die Kinder beschäftigen sich selten allein und wenn, dann dauert es nicht lange, bis es Streit oder Geheul gibt. Ist wahrscheinlich normal, aber trotzdem nicht weniger nervenaufreibend. Jedenfalls war es eine schöne Krönung der ruhigen 3 Tage ohne den Großen, wobei ja nicht er der Auslöser der Unruhe ist, sondern die ganze Konstellation. Beide sind sehr vehement und unnachgiebig, zumindest zuhause, und so knallt es andauernd. Der Große hat dazu noch eine sehr niedrige Frustrationstoleranz. Sie lieben sich auch inniglich und haben ganz süße Momente, aber meist ist es sehr laut und turbulent bei uns und man muss oft eingreifen. Durch ihren Altersunterschied von 26 Monaten können sie einerseits schon viel miteinander anfangen (die Kleine spricht ja auch schon sehr gut), andererseits machen sie sich oft die gleichen Ressourcen streitig, was bei einem größeren Altersunterschied nicht so problematisch ist. Erst gestern habe ich auf dem Blog Rosas Welt einen schönen, zutreffenden Beitrag zu dem Thema, wie schwierig es ist, Bedürfnisse von Geschwisterkindern unter einen Hut zu bringen, gelesen und uns in vielem wiedererkannt.

Als die beiden Männer wiederkamen, freute sich die Kleine unglaublich, den Großen zu sehen. Er war unkuschelig wie immer, wirkte aber ziemlich ausgeglichen und zufrieden. Man hofft ja immer, so eine Stimmung hält mal ein paar Stunden an. Aber keine 10 Minuten nach dem Eintreffen ging schon wieder das übliche Theater los. Er wollte sein neues Spiel Auf Schatzjagd präsentieren und die Kleine funkte ihm immer dazwischen. Er ärgerte sich, dass sie es auseinandernahm und die Spielregeln nicht verstand. Sie ist erst 2, aber das versteht er wiederum nicht. Er meckerte und fing an zu weinen. Das frustrierte die Kleine, und so waren wieder alle im üblichen Kreislauf drin. Obwohl es bis zum Abendritual keine größeren Dramen gab, war sofort wieder eine Anspannung vorhanden, mehrere kleine Scharmützel wurden ausgetragen, der Große ärgerte sich öfter, und am Ende kam es dann wieder so, dass sich je ein Erwachsener um ein Kind kümmerte, wie so oft, und wie es auch Rosas Welt beschreibt. So ist das eben mit 2 Kindern (wie es bei mehr Kindern sein mag, will ich mir gar nicht vorstellen).

Die letzten Tage nur mit der Kleinen waren dagegen sehr ruhig und von Auszeiten geprägt. Mein Mann hat sie mehrmals allein übernommen und ich konnte mich ein bisschen regenerieren. Auch in der Zeit zu dritt konnten wir gut entspannen, weil nicht ständig Konflikte zu schlichten, Kinder zu trösten und Trubel und Streit zu ertragen waren. Es ist wirklich ein enormer Unterschied, nur für die Bedürfnisse eines Kindes zuständig zu sein und sich abwechseln zu können. Es wäre interessant, mal zu testen, ob es mit dem Großen allein auch so entspannt wäre oder ob es an der Kleinen liegt, die doch ein zufriedeneres Wesen hat. Als ich mit dem Großen im Februar zuhause blieb, weil er kränklich war, hatten wir ebenfalls ruhige Tage. Ich denke, es liegt tatsächlich daran, dass 90% des Konfliktpotentials wegfallen. Und das betrifft nicht nur die direkten Auseinandersetzungen zwischen den Geschwistern, sondern die unterschiedlichen Bedürfnisse, die so schwer allgemein zufriedenstellend zu erfüllen sind. Irgendeiner ist immer sauer, enttäuscht oder unzufrieden, und da stecken wir Eltern schon weitestgehend zurück. Das hatte ich mir nicht so schwierig vorgestellt. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu sehr auf Harmonie bedacht und dass keiner zu kurz kommt. Ich kann es schlecht ertragen, wenn meine Kinder frustriert sind.

Damals, mit nur einem Kind, haben wir die Ruhe nicht so empfunden. Der Große war jünger und noch wesentlich schwerer zu händeln als jetzt. Er war sehr unzufrieden und man musste sich schon rein kräftemäßig mit seiner Betreuung abwechseln. Jetzt aber ist es viel leichter mit ihm und man könnte sich adäquat und exklusiv auf ihn einlassen, wäre er allein. Und auf die Kleine ebenso. Aber dann würde man wahrscheinlich mehr Leben in der Bude vermissen;). Ich will damit nur sagen, dass es, obwohl man es als Ein-Kind-Eltern nicht so empfindet, doch einen riesigen Unterschied gibt. Nun sind wir wieder zu viert und alle müssen sich wieder aneinander anpassen. Bis zum nächsten Mal, was dann die Kitareise des Großen im Juni sein wird.

Donnerstag, 14. Mai 2015

Wie andere meinen Blog sehen

Da ich mich gerade etwas aufmuntern muss, habe ich mich erinnert, dass die liebe Jessi vom Blog Terrorpüppi mich im Februar als Blog des Monats vorgestellt hat. Ihre lieben, treffenden und wertschätzenden Worte lese ich immer wieder gern und möchte euch deshalb den Text nochmal wärmstens empfehlen. Ich hätte es selbst nie so gut zusammenfassen und beschreiben können. Oft ist es ja auch so, dass Selbstbild und Fremdbild nicht übereinstimmen. Aber in dem Text finde ich mich absolut wieder. Genau das soll mein Blog sein. Was meint ihr dazu?

Hier kommt der Link für alle, die es damals verpasst haben und für alle seitdem neu hinzugekommenen LeserInnen:
Frühlingskindermama: Blog des Monats Februar

Außerdem stellte mich gerade Bines Welt im Rahmen der Runde 2 der Blogparade #bloggerhausen zusammen mit zwei anderen Blogs vor. Dass Mama Bine einen meiner emotionalsten und persönlichsten Blogposts hervorhebt, der sie unheimlich berührt hat, nämlich Das Scheitern einer Erstlingsmama, hat mich sehr bewegt.

Hier der Link zum Text von Mama Bine:
#bloggerhausen Runde 2

Ebenfalls in Runde 2 von #bloggerhausen wird mein Blog von Nina von Timbaru vorgestellt, mit Links zu 3 ausgewählten Beiträgen von mir. Vielen lieben Dank!

Hier der Link von Timbaru:
Frühlingskindermama - #Bloggerhausen

Lieben Dank an Jessi, Bine und Nina für die Vorstellung!

In den nächsten Wochen wird mein Blog noch von zwei anderen Blogs im Rahmen von #bloggerhausen Runde 2 vorgestellt, die ich dann auch hier verlinken werde. Schaut also wieder rein!

Samstag, 9. Mai 2015

Wie sich unser Entlastungsnetz auflöste

Wir sind ja hier völlig auf uns allein gestellt, haben keinerlei Familie oder sonstige potentielle Hilfen in der Nähe. Deshalb hatte ich uns ein kleines Netz von Putz- und Kinderentlastungshilfen aufgebaut, auf das ich stolz war und das wir dringend benötigen. Eine Putzfrau reinigte einmal in der Woche die Wohnung, zwar mehr schlecht als recht und sehr unzuverlässig, aber wenigstens preiswert und kontinuierlich. Fiel sie aus, buchte ich kurzfristig einen Ersatz bei Online-Portalen. Zwei mögliche Babysitterinnen hatte ich nach unserer langen Babysitterodyssee an Land gezogen, die Praktikantinnen in unserer Kita waren/ sind und uns die Kinder ab und zu mal vormittags am Wochenende abnahmen. Das klappte auch anfangs gut, da die Kinder sie kannten und keine Trennungsschwierigkeiten hatten. Darüber hinaus hatte ich mit drei befreundeten Familien einen halbwegs regelmäßigen Kinderaustausch, zumindest was den Großen betrifft, etabliert. Abwechselnd ging der Große mal zu ihnen, dann wieder kam deren Kind zu uns. So hatten wir zumindest nur noch die Kleine zu betreuen. Diese Entlastungen, auch wenn sie immer nur für ca. 2 Stunden waren, bedeuteten eine ungeheure Hilfe für uns, die wir sonst niemanden hier haben und für jede Dienstleistung bezahlen müssen, was sich Familien, deren Großeltern in der Nähe wohnen und zur Verfügung stehen, wohl überhaupt nicht vorstellen können.

In den letzten Wochen ist uns zu meinem größten Bedauern leider dieses Netz auf allen Ebenen abhanden gekommen. Als erstes signalisierte die Babysitterin, dass sie wohl keine Lust mehr auf zweistündige Parkspaziergänge hatte. Nachdem wir sie mehrfach für Termine angefragt hatten, konnte sie leider jedesmal nicht und meldete sich seit Mitte Januar gar nicht mehr. Schon in den vorhergehenden Wochen merkte man, dass sich etwas verändert hatte und sie nicht mehr so euphorisch wie am Anfang war. Der Große hatte sich wohl unterwegs nicht so lenken lassen, wie sie das gern wollte, und das nervte sie. Wir hätten allerdings nie gedacht, dass sie nach etwas mehr als 4 Monaten schon die Segel streicht, wirkte sie doch immer sehr verantwortungsbewusst. Die andere Babysitterin ist zwar grundsätzlich noch bereit, fährt aber oft am Wochenende weg und steht selten zur Verfügung. In der Zeit seit Mitte Januar, als uns die "Stamm"-Babysitterin weggebrochen ist, hatten wir ein einziges Mal eine zu vernachlässigende Entlastung von 2 Stunden durch die andere Babysitterin. Für eine erneute Babysitterodyssee habe ich aber im Moment weder Kraft noch Zeit.

Parallel dazu brachen die Spieldates mit den befreundeten Familien weg. Da diese auf Gegenseitigkeit beruhten, also abwechselnd das Kind eingeladen wurde, erfüllten wir unser Soll und warteten auf die Einladungen der Gegenseiten. Ohne Erklärungen hörte das alles einfach auf. Als ich vor 2 Wochen nach einem anstrengenden Wochenende total fertig war und dies einem Freund klagte, erklärte sich seine Familie zwar netterweise sofort bereit, den Großen am darauffolgenden Wochenende mal wieder zu sich zu nehmen. Das fand ich unheimlich nett, aber ich befürchte, dass das wieder nur eine einmalige Geschichte war. Ich finde es sehr schade, dass diese mühsam aufgebauten Entlastungen einfach im Nirwana verschwinden. Ich hätte mir gewünscht, dass man wenigstens eine Erklärung bekommt. Vielleicht war es der einen oder anderen Familie zu häufig (uns nicht, und wir haben ja auch die anderen Kinder bei uns betreut) oder es gab unschöne Situationen? So aber wissen wir gar nicht, woran es gelegen haben könnte. Für uns bedeutet das jedenfalls leider den Wegfall eines sehr wichtigen Bausteins unseres Entlastungssystems.

Die Letzte, die uns im Stich ließ, war unsere Putzfrau. Nachdem sie unsere Kaffeepadmaschine kaputt gemacht hatte, woraufhin es einen unschönen SMS-Wechsel gab, haben wir sie das letzte Mal gesehen, als sie uns die Ersatzmaschine brachte. Sie wirkte total freundlich, als wäre nichts gewesen, kam aber dann nie wieder. Beim ersten Mal wartete ich morgens vor der Arbeit 20 Minuten auf sie, aber sie reagierte auf keine Nachricht. In den nächsten Tagen versuchte ich noch mehrmals, an sie heranzukommen, aber sie meldete sich überhaupt nicht mehr. Wie ich nachträglich hörte, hatte sie wohl parallel bei einer befreundeten Familie in der Nähe, die sie an uns vermittelt hatte, auch gekündigt. Bei uns nicht mal das, sondern sang- und klanglos das Weite gesucht. Ich kann so eine Arbeitseinstellung nicht verstehen. Sie hatte anderthalb Jahre bei uns geputzt, hatte die Kleine noch als Baby erlebt und war immer freundlich, wenn auch nicht sehr gründlich, gewesen. Obwohl ich einerseits auch erleichtert war, dass ich mich nicht mehr mit Unzuverlässigkeit und Ungründlichkeit herumärgern musste, kam nun trotzdem noch ein neues Organisationsproblem hinzu. Die Onlineportale, die Putzfrauen vermitteln, sind doch deutlich teurer als das, was wir ihr bezahlt haben. Wir haben seitdem Einzeltermine (man kann auch regelmäßige Termine buchen) über die diversen Onlineportale gebucht und das war auch meist zufriedenstellend, ist aber eben in dieser Form recht aufwändig. Ab und zu haben wir auch selbst Hand angelegt, aber das ist kaum zu schaffen. Da ich bei einer einmal wöchentlich erfolgenden Reinigung sowieso zwischendurch selbst noch ein wenig putzen muss, möchte ich eigentlich nicht zusätzlich die große Putztour machen. Wir sind noch nicht entschieden, wie es weitergeht. Ich habe ein wenig herumgefragt, ob jemand eine Putzfrau vermitteln kann, aber keinen Erfolg gehabt. Wir werden wohl vorerst weiter online buchen, bis sich vielleicht jemand neues findet.

Ich merke deutlich, wie es mich belastet, dass die wenigen Entlastungen, die wir überhaupt hatten, alle fast gleichzeitig weggefallen sind. Die Putzfrau kann ich noch am ehesten verschmerzen, weil ich einfach online eine bestellen kann. Die fehlende Kinderentlastung durch Babysitter und Freunde ist viel schmerzhafter. Mein Energiereservoir ist ziemlich aufgebraucht. Die Entlastung durch zwei kurze Großelternbesuche betrug seit vielen Monaten netto 6 Stunden gestückelt (beide Kinder weg) plus 7 Stunden, in denen sie mit dem Großen allein einen Ausflug machten. Außerdem war der Große 3 Tage bei ihnen, in denen wir unseren normalen Alltag mit der Kleinen zwischen Arbeit und Kita hatten. Das ist einfach extrem wenig. Im letzten Jahr hatten wir wenigstens noch die Babysitterin und die Spieldates. Ohne diese jedoch fällt die wenige Großelternunterstützung noch mehr ins Gewicht. Es ist sehr frustrierend und unheimlich anstrengend, alles allein wuppen zu müssen. Krank oder erschöpft sein dürfen wir so gut wie gar nicht. Noch nie wurden beide Kinder von den Großeltern allein von der Kita abgeholt. Jeder Nachmittag, jedes Wochenende wird allein von uns bestritten. Wir versuchen uns zumindest am Wochenende abzuwechseln, aber es ist zu zweit ohne weitere Hilfe wirklich wahnsinnig aufreibend.

Ich kann die Situation gerade nicht ändern, aber sie trägt eindeutig dazu bei, dass ich mich aktuell ziemlich am Limit fühle. Das merke ich daran, dass ich in den letzten Tagen seit langer Zeit wieder oft geschrien und geweint habe. Das tut mir wahnsinnig leid, hatte ich doch erst vor kurzem zu einem halbwegs ausgeglichenen Zustand gefunden. Morgen geht's auf eine Kurzreise, an deren Ende der Große noch 2 Tage bei den Großeltern bleibt. Mal sehen, ob sich das etwas entlastend auswirkt. Ich hoffe es. Es ist allerdings immer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein;(

Freitag, 8. Mai 2015

Der 2. Geburtstag der Kleinen

Ich freue mich über jeden Geburtstag meiner Kinder, weil es für mich generell einfacher wird, je älter die Kinder werden. Am Mittwoch, 6. Mai 2015, feierte die Kleine nun ihren 2. Geburtstag und ist in einem wirklich süßen, entzückenden Alter. Ich hatte mir am Dienstag schon frei genommen, um in Ruhe alles vorzubereiten, schließlich war das ihr erster bewusster Geburtstag. Sie hatte seit dem 4. Ehrentag des Großen auch schon immer von "... (ihr Name) Burtat" gesprochen und dass sie bald "zei" wird. Wir wollten den Tag als Familienzeit gestalten; einen Kindergeburtstag hatten wir beim Großen erst ab 3 Jahre gefeiert und das hat sich bewährt.

Nach 3 Jahren von Eisenbahn-, Feuerwehr- und Polizeikuchen konnte ich nun endlich mal einen "Mädchenkuchen" backen. Da mir dazu aber nichts Schönes eingefallen ist, habe ich einfach einen essbaren Tortenaufleger bestellt und diesen auf den gebackenen Kuchen aufgebracht. Erdbeeren liebt die Kleine und die essbaren Kerzenhalter fand ich auch ganz süß (im Wortsinn). Für die nächsten Jahre brauche ich unbedingt viele Anregungen für schöne "Mädchenkuchen"! Abends schmückten wir den Geburtstagstisch und waren platt, aber zufrieden.


Am Geburtstag wachte sie schon um 6 Uhr morgens auf, so dass ich ihre Geburtszeit 6:35 Uhr wach rekapitulieren "durfte" (was hoffentlich in den nächsten Jahren nicht mehr so oft vorkommen wird;)). Der Große war fast aufgeregter als sie und hibbelte schon bald vor der Wohnzimmertür herum. Als sie endlich rein durften, gab es kein Halten mehr. Beide Kinder stürzten sich auf die Geschenke und jauchzten übermütig. Echt süß! Dann wurde ausgiebig gespielt und gefrühstückt. Von uns gab es den Großen Zirkus von Duplo und das kleinste Puky Laufrad in pink sowie mehrere Kleinigkeiten. Das Laufrad hatten wir mit Freunden getauscht, deren erstes Kind ein Mädchen und das zweite ein Junge ist. Sie bekamen von uns das alte blaue Laufrad des Großen, was ihr Sohn dann erhält, und gaben uns das pinkfarbene Laufrad ihrer Tochter. Wir hätten auch überhaupt kein Problem gehabt, der Kleinen das blaue Laufrad des Großen zu schenken, aber so hat es ja optimal geklappt.

Der Große schenkte ihr einen Biene Maja Regenschirm. Von den abwesenden Großeltern wurde symbolisch diese Kinderküche geschenkt, die total süß ist und leicht aufzubauen war. Da wir schon einiges an Küchenzubehör hatten, kaufte ich nur noch ein paar Ergänzungen wie Fischstäbchen etc. Sie freute sich unglaublich und kochte uns gleich die ersten Leckereien.


Nachdem ausgiebig gespielt wurde, fuhren wir wie geplant zu Karl's Erdbeerhof. Da die Kleine früher als sonst aufgewacht war, machte sie ein kleines Nickerchen im Auto, was super war, weil sie sonst nicht lange durchgehalten hätte. Karl's Erdbeerhof ist ein vielseitiger Erlebnisbauernhof mit Traktorbahn, Kartoffelsackrutsche, Ponyreiten, Feuerwehrspritzstation, Irrgarten, Maislabyrinth, einer Kinderbaustelle und vielem mehr, was das Kinderherz höher schlagen lässt. Am Wochenende ist es immer sehr voll und der Große und ich leiden dann schnell unter Reizüberflutung, aber an einem Mittwoch war es traumhaft leer und wir konnten alles ausprobieren. Ich habe mich sogar zum ersten Mal auf die Kartoffelsackrutsche getraut;). Wir verbrachten ca. 3 1/2 Stunden dort und die Kinder hatten viel Spaß. Definitiv immer einen Ausflug wert, wenn auch lieber unter der Woche.


Wir wussten, dass die Kinder danach im Auto einschlafen würden und fuhren deshalb zu unserem Garten, wo wir den Geburtstagskuchen genossen und den Rest des Nachmittags verbrachten. Leider hatte die Kleine dann Durchfall, sie hatte schon seit morgens kaum etwas gegessen und über Bauchweh geklagt. Aber da sie glücklicherweise gute Laune hatte, beeinträchtigte das den Tag nicht sehr.

Auf dem Rückweg probierte sie kurz ihr neues Laufrad aus, hatte aber noch Berührungsängste. Der Große hatte sein erstes Laufrad damals auch zum 2. Geburtstag bekommen, stieg auf und fuhr los. Seitdem fährt er sehr genüsslich und ausdauernd Laufrad. Ich bin gespannt, ob die Kleine noch Gefallen daran findet.


Zuhause spielten die Kinder noch einmal kurz und dann war der Geburtstag schon wieder vorbei. Einen Kindergeburtstag werden wir, wie gesagt, frühestens nächstes Jahr feiern. Mal sehen, ob sie dann schon ein paar ausgesuchte Freunde hat wie der Große in dem Alter. Beim zweiten Kind wird das Aufbauen und Pflegen der Freundschaften leider etwas vernachlässigt und ich hoffe, dass sie das mit ihrer offenen, gewinnenden Art wettmachen kann.

Insgesamt war es ein schöner Tag, wenn auch ziemlich anstrengend, wenn ich noch die Vorbereitungen am Dienstag mitrechne. Aber ich denke, den Kindern hat es gefallen und der Große hat schon realisiert, dass er außer der Reihe "frei" hatte. Abends habe ich noch Mini-Muffins für die Kita gebacken, wo die Kleine am nächsten Tag gefeiert wurde. Nächstes Jahr wird es mit den Vorbereitungen für zwei Kindergeburtstage noch aufwändiger. Gut, dass die Geburtstage der beiden exakt 2 Monate auseinander liegen;)

Und jetzt her mit euren Mädchenkuchenideen!

Dienstag, 5. Mai 2015

Geburtsbericht der Kleinen (6. Mai 2013)

Die Kleine wird morgen 2 Jahre alt und ich habe anlässlich ihres Geburtstages endlich ihren Geburtsbericht verfasst. Wie auch beim Geburtsbericht des Großen rekonstruiere ich aus meinen eigenen Aufzeichnungen und dem Partogramm der Klinik. Es war eine wunderschöne, perfekt verlaufene Geburt, wie man sie sich selbst und dem Baby wünscht. Ich hatte aber auch schon einiges an "Vorarbeit" in den davorliegenden Wochen geleistet.

Die Kleine wurde am Montag, 6. Mai 2013 um 6:35 Uhr geboren. Ihr errechneter Termin war der 27. April, somit war sie 9 Tage überfällig und ich war in SSW 41+2. Über lange Strecken der Schwangerschaft hielt ich es nicht für möglich, den ET überhaupt zu erreichen, hatte ich doch eigentlich permanent ein unangenehm offenes Gefühl und schon viele Wochen vor ET mehr oder weniger regelmäßige Wehen. Ich hätte alles darauf verwettet, dass sie früher kommt und war heilfroh, als wir die 36. Woche erreichten und damit in unser Stammkrankenhaus gehen konnten. Ja, trotz der schlechten Erfahrungen bei der Geburt des Großen wollte ich wieder dort entbinden, weil ich mich erstens sicherer in einer bekannten Umgebung fühlte und zweitens der Große und mein Mann mich problemlos besuchen kommen sollten.

Die Schwangerschaft war nicht ganz so angenehm verlaufen wie die des Großen, wenn auch insgesamt sehr problemlos. Ich hatte diesmal zwischen SSW 8 bis 12/13 mit arger Übelkeit ab Mittag bis in die Nacht hinein zu kämpfen (beim Großen gar nicht). Vormittags war alles okay, Erbrechen musste ich zum Glück nicht, aber es beeinträchtigte schon sehr. Der Druck nach unten, der von Anfang an da war, verstärkte sich durch das viele Tragen des Großen noch (er war 1 1/2 Jahre alt, als ich schwanger wurde). Hinzu kamen in den letzten Wochen ständige Übungswehen, die teilweise schon regelmäßig alle 8 Minuten kamen und dann plötzlich wieder aufhörten. Ich hatte in den letzten Wochen Tage, da konnte ich Bäume ausreißen, so gut ging es mir, und dann wieder sehr bescheidene, schlappe und schmerzgeprägte Tage. Obwohl ich den Großen ja 5 Tage nach Termin entbunden habe, hätte ich nie gedacht, dass ich bei der Kleinen überhaupt an den ET herankomme;)

Am ET selbst, einem Samstag, ging es mir nicht besonders und wir machten nur einen klitzekleinen Ausflug zum Funkturm, um nicht viel laufen zu müssen. In den darauffolgenden Tagen musste ich mehrfach zum CTG in die Klinik bzw. zur Frauenärztin, ging noch einmal zum Friseur, wir hatten einen Kinderarzttermin, besuchten am 1. Mai ein Fest und bereiteten alles vor. Der Große war in der Kita, mein Mann hatte schon ab 3 Tage vor ET Urlaub und ab Geburt dann wieder Elternzeit. Ich arbeitete etwas im Garten, in der Annahme, dass dies Wehen auslösen konnte, und wir probierten auch diesmal hoffnungsvoll den Trick mit dem indischen Essen aus, aber es tat sich nichts.

Am Sonntag, 5. Mai, fuhren wir morgens zum CTG in die Klinik. Keine Besonderheiten. Es wurde entschieden, am Dienstag 7. Mai einzuleiten, wenn sich nichts tut. Ich hätte aber auch am Dienstag anrufen können, wenn ich doch noch warten wollte. Die sehr nette diensthabende Hebamme gab mir ein Wehenöl, was ich entweder ins Badewasser geben oder in den Bauch einmassieren sollte. Da ich aus Kreislaufgründen nicht mehr baden wollte, würde ich es als Massageöl verwenden. Ich gab nichts darauf. Danach sind wir in unseren Garten gefahren und verbrachten den Nachmittag dort. Ich hatte immer mal wieder unregelmäßige Wehen, ansonsten ging es mir gut. Ich wurde von den Nachbarn gefragt, wann es denn soweit wäre. Ich sagte: vor 8 Tagen;). Abends massierte ich mir das Wehenöl in die Bauchhaut ein und ging gegen 23 Uhr schlafen, glaubte aber an nichts mehr und stellte mich schon mental auf die Einleitung ein.

Ab 0:30 Uhr am Montag, 6. Mai, hatte ich Wehen, die gut erträglich waren. Um 4:30 Uhr weckte ich meinen Mann, obwohl die Wehen erst im 10-Minuten-Abstand kamen, so dass wir genügend zeitlichen Vorlauf hatten, wenn der Große gegen 6 Uhr aufwacht. Für diesen Fall des nächtlichen Beginns hatten wir vereinbart, dass mein Mann mich, sofern der Große nicht aufwacht, kurz in die Klinik fährt, dann wieder nach Hause, den Großen versorgt, in die Kita bringt und nachkommt. Um 5:10 Uhr kamen wir im Krankenhaus an, alles lief schön ruhig und bewusst ab, mit regelmäßigen, schmerzhafter werdenden Wehen zwischendurch, so wie man es sich wünscht und vorstellt. Als die Hebamme hörte, dass ich Wehen ca. alle 8 Minuten hatte, platzierte sie mich erstmal gemächlich im Vorzimmer und schloss mich ans CTG an. Ich schickte meinen Mann nach Hause zum Großen. Als sie mitbekam, dass ich schon ein Kind habe, untersuchte sie mich und siedelte mich dann schnellstens in den Kreißsaal um. Es war wohl schon alles sehr geburtsbereit.

Um 5:30 Uhr war ich im Kreißsaal, zog mich unter Wehen um und lag kaum allein und durchschnaufend auf dem Geburtsbett, als die Fruchtblase platzte. In Erinnerung an das Trauma meiner ersten Geburt, als ich nach dem Blasensprung einen furchtbaren Wehensturm hatte, klingelte ich sofort und bat um eine PDA. Die Hebamme schüttelte nur den Kopf, untersuchte mich und meinte, es würde nun nicht mehr lange dauern. Ich war gerade erst im Kreißsaal angekommen! Für einen kurzen Moment stieg Panik in mir hoch, aber die Wehen blieben tatsächlich, auch als sie in dichten Abständen kamen, immer ertragbar und mit kleinen Pausen zwischendurch. Ein riesiger Kontrast zur Geburt des Großen mit dem schrecklichen Wehensturm.

Als das Bett wieder frischgemacht war, begannen bald schon die Presswehen. Natürlich hat es unheimlich weh getan, natürlich habe ich auch geschrien, aber es war eine durch und durch selbstbestimmte, positive Erfahrung ohne jegliche Schmerzmittel. Schon sagte die Hebamme, dass das Baby viele schwarze Haare hat und gut mithilft. Ein Arzt kam hinzu und ich wusste, es ging in die Endphase. Ich konnte kaum glauben, dass es so schnell gehen würde. Einige Presswehen, immer ging es ein Stück weiter, ich riss und schon war sie da. Um 6:35 Uhr am 6. Mai 2013 ist die Kleine geboren, und ich war in allererster Linie glücklich, dass es überstanden war und alles so gut gegangen ist. Ich stammelte immer wieder "Das gibt's doch nicht, das gibt's doch nicht!", darauf die Hebamme: "Doch, Ihre Tochter ist da!" Sie wurde mir auf den Bauch gelegt und wieder kann ich die Reihenfolge der nächsten Schritte nicht rekapitulieren: Abnabelung, Nabelschnurblutentnahme zur Einlagerung, Nachgeburt, Genäht-Werden, Wiegen, Messen und diverse Tests. Als die Hebamme mir das Gewicht meiner Tochter sagte, kam noch einmal von mir "Das gibt's doch nicht!": sie hatte mit 3620g exakt das gleiche Geburtsgewicht wie ihr Bruder. Unglaublich. Ich entschied diesmal allein, dass der von uns ausgesuchte Name zu ihr passt und so bleibt wie vorgesehen, da mein Mann ja nicht rechtzeitig angekommen war.

Wie auch beim Großen war es allerdings nicht so, dass ich überschwängliche, euphorische Gefühle empfunden habe oder eine Mutterliebe sofort vorhanden war. Es überwog vor allem die riesengroße Erleichterung über den guten Ablauf der Geburt und dass nach 9 Tagen über Termin nun endlich alles geschafft war. Das Baby war mir auch diesmal erstmal fremd. Sie lag auf meinem Bauch, machte Stillversuche und wir kuschelten die erste Stunde ganz allein. Ich schickte meinem Mann das erste Foto und er fragte sich, wessen Baby das war;) Zu dieser Zeit frühstückte er gerade mit dem Großen zuhause, brachte ihn dann in die Kita und wollte nachkommen. Im Gegensatz zum Großen schrie und weinte die Kleine aber fast die gesamte erste Stunde durch, obwohl sie direkt bei mir war. Ich konnte aber diesmal total ruhig bleiben, hielt sie und säuselte ihr ins Ohr. Es dauerte aber lange, bis sie sich beruhigte, und zwischendurch stieg schon leichte Panik in mir hoch. Schließlich wollte ich nicht noch einmal das Gleiche wie mit den Großen erleben. Als die Hebamme wiederkam, sagte sie auch, dass ihr wohl die Geburt zu schnell ging und sie deshalb so aufgebracht war. Da es mir aber total gut ging, konnte ich alles gefasster hinnehmen.

Als sie dann eingeschlafen war, legte ich sie in ihr Bettchen, wusch mich (das konnte ich beim Großen wegen des Kreislaufkollapses nicht machen) und frühstückte ausgiebig und in aller Ruhe allein. Ich war so selig. Auch darüber, dass ich mich nicht unterhalten musste, sondern allein alles verarbeiten konnte. Mir ging es total gut. Ich machte Fotos, schickte Nachrichten aus dem Kreißsaal und wurde dann gegen 9:30 Uhr auf die Wochenstation gefahren, wo kurz darauf mein Mann zu uns stieß, nachdem er den Großen in der Kita abgeliefert hatte. Die Kleine hatte noch ihren Turban um den Kopf und sah wundersüß aus. Außerdem war sie sehr ruhig und schlief viel. Mein Mann blieb ein paar Stunden und kam dann später mit dem Großen wieder. Über die erste rührende Geschwisterbegegnung und die diesmal (im krassen Kontrast zu 2011) wunderbare, erholsame Zeit auf der Wochenstation berichte ich hier.

Für mich fühlt sich die Geburt der Kleinen auch heute noch wie die perfekte Geburt an. Sie war traumhaft, schnell, unkompliziert, mit "normalen" Wehen, denen man sich nicht so extrem ausgeliefert fühlte wie im Wehensturm. Für mich war es optimal, dass ich allein war und mich ganz auf die Geburt und später auf die Kleine konzentrieren konnte. Ich habe das überhaupt nicht als schlimm empfunden, im Gegenteil, und möchte allen Frauen, die auch wegen eines Geschwisterkindes möglicherweise allein gebären "müssen", die Angst davor nehmen. Es war wirklich wunderschön!

Diese tolle Geburt hat das Trauma der ersten Geburt wieder geheilt, und genauso ging es auch mit der Wochenstation, der Wochenbettzeit und der Babyzeit der Kleinen weiter. Dass es sowohl mir gut ging als auch das Kind pflegeleichter war, hätte ich früher für normal gehalten, habe es aber diesmal aufgrund der vorausgegangenen Erfahrungen als enormes Glück empfunden. Ich bin so dankbar, dass die Kleine zu uns gekommen ist und nicht nur uns komplett, sondern auch mich wieder "ganz" gemacht hat.

Die Eckdaten:
geboren am 6. Mai 2013 (SSW 41+2)
Gewicht: 3620g
Größe: 54 cm
Kopfumfang: 35 cm
Dauer der Eröffnungsperiode: 2h 45min
Austreibungsperiode: 20min
Nachgeburtsperiode: 10min
Gesamtgeburtsdauer: 3h 15min
Blutverlust: 300ml
Hb (Eisenwert): 6,7mmol/l


(c) Frühlingskindermama

Sonntag, 3. Mai 2015

Ein Held für hochsensible Kinder: "Philipp zähmt den Grübelgeier" (Buchrezension)

Bücher für Kinder, in denen das Thema Hochsensibilität kindgerecht aufbereitet ist, gibt es nur wenige auf dem deutschen Markt. Kürzlich erschienen ist das Buch Henry mit den Superkräften, das sehr gute Rezensionen erhalten hat. Nun hat der auf Hochsensibilität spezialisierte Festland Verlag das neue Buch Philipp zähmt den Grübelgeier von Magdalene Hanke-Basfeld (Text/Illustrationen) herausgegeben und mir freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Das Buch ist für Kinder ab 8 Jahren (zum Selberlesen) geeignet und beinhaltet 13 Kurzgeschichten, von denen sogar die Leselänge angegeben ist. Es sind einige wenige Illustrationen enthalten, aber ich denke, die Bebilderung ist bewusst knapp gehalten, damit bei den Kindern Bilder im Kopf entstehen können. Im Mittelpunkt steht der hochsensible Junge Philipp, der in vielen Bereichen seines Alltagslebens an seine Andersartigkeit erinnert wird und seinen Weg selbst bzw. mit der Hilfe seiner Eltern, Großeltern und Freunde finden muss.

Die Geschichten handeln von der Familie, der Schule, von Tieren, vom Supermarkt, von Geburtstagen und oft tritt Philipps Freund Patrick in Erscheinung, der Philipp nicht nur beim Bewusstwerden seiner besonderen Wahrnehmung unterstützt, sondern auch zu einer Akzeptanz und einem gesteigerten Selbstbewusstsein verhilft. Es werden viele Aspekte angesprochen, die charakteristisch für hochsensible Kinder sind und ihnen im Alltag vielleicht Schwierigkeiten bereiten, zum Beispiel hohe Lärm- und Geruchsempfindlichkeit, geschmackliche Eigenheiten, Unverständnis der Umwelt, auch in der eigenen Familie, Angst vor großen Tieren und gleichzeitig Empathie mit dem Leiden von Tieren, ausgiebiges Grübeln und Abwägen aller Möglichkeiten, langes Nachhallen von Ereignissen, peinliche Empfindungen, Überforderung bei Treffen mit vielen Menschen, Angst vor unbekannten Situationen, Schwierigkeiten mit Kleidung, hohes Verantwortungsgefühl, Gespür für Spannungen und schlechte Stimmung und großes Mitgefühl für Schwächere.

Ich denke, hochsensible Kinder fühlen sofort, dass sie so ähnlich wie Philipp ticken und werden erstmal erleichtert sein, zu hören, dass auch andere Kinder solche Empfindungen wie sie haben. Das kann man ihnen als Eltern noch so oft theoretisch vermitteln; mit einer Figur, die ihnen ähnlich ist, einem Seelenverwandten, wird es hochsensiblen Kindern tausendmal leichter fallen, sich und ihre Eigenheiten besser zu akzeptieren. Deshalb finde ich es sehr erfreulich, dass nun auch auf dem Kinderbuchmarkt das Thema Hochsensibilität angekommen ist.

Die Geschichten sind kurzweilig und bildhaft geschrieben und tragen nicht nur zur Selbsterkenntnis und Akzeptanz für ein hochsensibles Kind bei, sondern bieten auch zarte, nicht überfordernde Lösungs- bzw. Bewältigungsansätze, die vor allem durch Philipps Freund Patrick angeregt werden. Ich denke, das Geschichtenerzählen ist überhaupt die beste Möglichkeit, um hochsensiblen Kindern Strategien zu vermitteln, wie sie ihr Leben entsprechend ihrem Wesen zufrieden gestalten können, ohne sich weder über- noch unterzufordern. Denn sie sollen den für sie herausfordernden Situationen ja nicht grundsätzlich aus dem Weg gehen, sondern selbst ein Gespür dafür entwickeln, was zuviel ist und wo sie sich vielleicht ein wenig überwinden müssen.

Was ich bezeichnend finde, ist, dass Philipps Mama diejenige ist, die das meiste Verständnis für ihn hat (Kap. 7, 10, 13) und ihn auch gegen Angriffe und Unverständnis verteidigt, sicherlich, weil sie selbst hochsensibel ist. Sie muss selbst dem Papa Philipps Charaktereigenschaften näher bringen, der ihr vorwirft, den Jungen immer in Watte packen zu wollen (S. 59). Der Papa hat es also in 8 Jahren nicht geschafft, das Wesen seines Sohnes zu akzeptieren und zu schätzen. Das empfinde ich als ziemlich traurigen Aspekt im Buch, weil es gerade für hochsensible Kinder wichtig ist, dass aus der eigenen Familie nicht auch noch Gegenwind kommt. Ich weiß nicht, ob es ein guter Schachzug war, den Papa als verständnislos darzustellen. Ich als lesendes hochsensibles Kind hätte wahrscheinlich ein sehr ungutes Gefühl dabei. Doch das Verständnis der Mama wiederum birgt auch die Gefahr, dass sie grundsätzlich alles an Philipp und alles, was er macht, gut findet. Das führt dazu, dass Philipp ein Bild zerreißt, was die Mama überschwänglich lobte, obwohl er selbst ganz und gar nicht zufrieden war (S. 54). Doch selbst in dieser Situation kann der Papa auch keine konstruktivere Umgehensweise hervorbringen, da er meist nur "irgendwelche Verbesserungsvorschläge" (S. 54) hat.

Etwas unnötig finde ich, in einem Kinderbuch das Wort "Scheiße" aus dem Mund eines Lehrers zu lesen (S. 89). Ansonsten ist die Sprache dem Alter angemessen. Für meinen 4-jährigen hochsensiblen Sohn, dem ich testhalber zwei Geschichten (u.a. Kap. 4) vorgelesen habe, war es noch zuviel an Informationen und eine fremde Welt. Aber er hat aufmerksam zugehört und ich denke, er hat schon bemerkt, dass er so ähnlich empfindet wie der Junge im Buch (Reizüberflutung im Supermarkt, Angst vor dem großen Hund). Ich werde das Buch auf jeden Fall wieder als Lesestoff verwenden, wenn er noch etwas älter ist. So etwas kann ein sehr guter Einstieg sein, in der Familie über die Hochsensibilität zu sprechen.

Auch für Lehrer und Erzieher finde ich das Buch sehr gut geeignet, um sich in "besondere" Kinder einzufühlen und verständnisvoller reagieren zu können. Es gibt keinen erhobenen Zeigefinger, es propagiert auch keine Sonderbehandlung von hochsensiblen Kindern, sondern will zeigen, wie man sie unterstützen und ermutigen kann, indem man sie in ihren speziellen Eigenschaften erkennt und fördert.

Ich spreche eine klare Empfehlung für Philipp zähmt den Grübelgeier aus und danke dem Verlag nochmals für die Möglichkeit, das Buch vorzustellen und interessierten Lesern nahezubringen. Ich wünschte, ich hätte ein solches Buch als Kind lesen können.

Hier eine weitere Rezension eines Kinderbuches für hochsensible Kinder:
Hochsensible Kinder und ihre Emotionen: "Wie Betty das Wut-Gewitter bändigt" (Buchrezension mit Verlosung)