Dienstag, 29. Mai 2018

Wackelzahnpubertät und Grundschule: "Gelassen durch die Jahre 5 bis 10" (Rezension)

Gespannt haben alle ihre Fans auf das neue Buch der beiden Autorinnen des Blogs Das Gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn gewartet, Anfang März war es endlich soweit. Katja Seide und Danielle Graf haben nach ihrem Bestseller "Der entspannte Weg durch Trotzphasen"* nun ein Buch über die Vor- und Grundschuljahre geschrieben: "Gelassen durch die Jahre 5 bis 10"*. Über diese Lebensphase von Kindern gibt es nur wenig Literatur, die keinen Fachbuchcharakter hat. Deshalb schließt dieses Buch über die Vorschulpubertät und Grundschulzeit mit explizit bindungsorientiertem Ansatz eine Lücke auf dem Buchmarkt und wird sich mit Sicherheit in kurzer Zeit zu einem Standardwerk über diese herausfordernde Phase entwickeln, genau wie das Vorgängerbuch über die Trotzphase. Ich hatte schon vor Erscheinen des Buches ein Interview mit den beiden Buch-Autorinnen geführt, das ihr hier nachlesen könnt: Interview mit den Autorinnen des Wunschkind-Blogs über ihr zweites Buch.

Die Autorinnen halten den Lebensabschnitt zwischen 5 und 10 Jahren für eine immens wichtige Zeit, um Kindern elementare soziale und gesellschaftliche Regeln zu vermitteln, besonders in Hinblick auf die danach folgende Pubertät. Das Buch möchte dazu beitragen, Eltern durch diese Phase zu begleiten, die zugrunde liegenden Entwicklungen zu erklären und Lösungsansätze für verbreitete Konflikte zu bieten, die außerhalb der klassischen Erziehungsstrategien liegen. Viele Eltern kennen wohl die Auseinandersetzungen um Hausaufgaben, um Medienzeit, um Mithilfe im Haushalt, um vermeintlich unpassende Freunde, um mäkelige Esser, um Lügen und Ausreden, kennen die Ambivalenz zwischen Fürsorge und dem Fördern von Selbstständigkeit, kennen das Hin- und Herpendeln zwischen den beiden Polen "Schon groß und doch noch klein", wie die Überschrift des 2. Kapitels lautet.

Nachdem die Autorinnen einige theoretische Überlegungen über die Grundlagen von bedürfnisorientierter und autoritativer Erziehung, zur erlernten Hilflosigkeit sowie über den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen angeführt haben, schildern sie anhand von konkreten Fallbeispielen die Probleme, die in der besagten Lebensphase auftreten können, erklären uns, wie und warum sie zustande kommen und zeigen Wege und Strategien auf, wie solche Konflikte im Rahmen von bedürfnisorientierter Erziehung überwunden werden können. Besonders schwierig ist für die heutige Elterngeneration, dass sie vieles anders als ihre Vorgänger machen will, aber noch nicht genau weiß, wie dieser Weg konkret aussieht. Das führt zum Beispiel dazu, dass manchmal zuviel Verantwortung übernommen wird, wo es gar nicht nötig wäre, dagegen an anderer Stelle eine Selbstständigkeit vom Kind erwartet wird, die es noch gar nicht leisten kann. Deshalb plädieren sie dafür, den Kindern mehr Eigenverantwortung in bestimmten Bereichen wie den körperlichen Bedürfnissen zu geben - "echte Verantwortung" - und sie dafür in anderen Bereichen intensiver zu unterstützen, z.B. darin, den Überblick über ihre Sachen und Angelegenheiten zu behalten.

Die Autorinnen führen wie im Vorgängerbuch viele praktische Beispiele an und schildern klassische Konfliktsituationen, die mit Kindern in dieser Lebensphase auftreten können. Besonders rührend fand ich das Beispiel vom Stressabbau einer Erstklässlerin, die ihre Eltern jeden Abend so lange provoziert, bis sie ausgeschimpft wird und weinen kann. Ja, kann, denn die Autorinnen sind davon überzeugt, dass es sich um eine Strategie der Psychohygiene des Mädchens handelt, denn sie baut dadurch den Stress, die Anspannung ihres anstrengenden Schultages ab. Eltern sollten also unbedingt hinter störendes oder inakzeptables Verhalten schauen und versuchen, gemeinsam einen anderen Weg zu finden. Gleiches gilt für all die anderen beschriebenen Probleme.

Speziell im Vorschuljahr entwickeln sich Kinder so stark, dass vieles aus den Fugen geraten kann. Hier ist man mit Geduld, Empathie, aktivem Zuhören, dem Zeigen echter Gefühle, dem Aufzeigen eigener Grenzen und Verlässlichkeit gut beraten, um durch die Stürme hindurch zu navigieren. Nicht bei jedem Kind ist die sog. Wackelzahnpubertät ausgeprägt, aber alle Kinder durchlaufen große Veränderungen, die sich mehr oder weniger emotional äußern können. Manchen Eltern fällt es schwer, Schritt zu halten mit dieser enormen Entwicklung, und sie trauen ihren Kindern zu wenig zu. Interessant fand ich dazu die Liste, die Kinder in diesem Alter dürfen sollten (S. 141f.). Ich bin mir sicher, dass vielen Eltern nicht bewusst ist, was Kinder eigentlich schon alles ausprobieren sollten. Durch das Vertrauen in ihre Fähigkeiten wachsen das Selbstvertrauen und die Kompetenzen unserer Kinder. Diese Erfahrung macht die Autorin Katja Seide in ihrer Arbeit als Sonderpädagogin immer wieder. Sie plädiert für viel Eigenverantwortung, viel Freiheit, viel Empathie, viel Vertrauen, um Kinder in ihrer Selbstwirksamkeit zu unterstützen. Denn Selbstwirksamkeit ist das Gefühl, was Kinder in dieser umstürzenden, aber entscheidenden Phase am meisten brauchen.

Fazit

Das Buch trifft mit seiner Bedürfnisorientierung, Feinfühligkeit und Praxisnähe sicherlich den Nerv vieler moderner Eltern, bietet machbare Ansätze und Strategien und will dazu beitragen, dass die Jahre zwischen 5 und 10 gelassen gemeistert werden können. Es wird sich auf jeden Fall zu einem Standardwerk über diese Phase entwickeln. Besonders schön finde ich, dass die Autorinnen immer wieder Beispiele aus ihrem eigenen Familienleben schildern, zum Beispiel die Geschichte mit der Brotdose der einen Tochter nach dem Schulstart (S. 146f.).

Und um nun den Bogen zu meiner persönlichen Perspektive zu schlagen: ich habe gemerkt, dass wir mit unserem 7-jährigen Großen ganz andere Herausforderungen haben, als im Buch beschrieben sind, und die Tipps und Strategien deshalb nur bedingt umsetzbar sind. Dies wurde besonders deutlich anhand der Dinge aus der beschriebenen Liste, die er größtenteils machen dürfte, aber gar nicht will. Ich übrigens als Kind dieses Alters auch nicht gewollt hätte. Oder auch aus der Schilderung der Anziehproblematik, die laut den Autorinnen immer nur eine temporär schwierige Phase ist: "... Keines der Kinder, deren Eltern wir befragt haben, zog das morgendliche Anziehdrama mehr als ein paar - zugegeben sehr lang erscheinende - Wochen durch." (S. 312) Das mag bei den meisten Kindern so sein, bei meinem Großen jedoch ist das ein grundlegendes, schon seit vielen Jahren existierendes Problem, das mit seinem speziellen Wesen zusammenhängt und bei dem keinerlei Besserung eintritt. Auch ist aus unserer Erfahrung heraus bei ihm (und anderen hochsensiblen, gefühlsstarken Kindern) die Co-Regulation durch die Bezugspersonen mindestens genauso wichtig wie die Eigenverantwortung. Insofern beschreibt das Buch die Herausforderungen mit der großen Mehrheit der Kinder in diesem Alter, aber eine kleine Minderheit tickt ein wenig anders, auch wenn sicherlich ähnliche Verhaltensweisen zutage treten.

Unabhängig von diesen persönlichen Anmerkungen ist das Buch ein sehr wertvoller Wegweiser durch die Vorschulpubertät und Grundschuljahre und ich denke, dass ich es im Umgang mit meiner Tochter, die gerade 5 Jahre alt geworden ist, noch oft zu Rate ziehen werde. In Anbetracht der mangelnden Literatur zu diesem Thema und vor dem Hintergrund der Bedürfnisorientierung der Autorinnen des gleichnamigen Blogs kommt dem Buch eine große Bedeutung zu. Es liest sich flüssig und angenehm, und wer sein 5- bis 10-jähriges Kind besser verstehen will, sollte auf jeden Fall darauf zurückgreifen, damit die beschriebene Lebensphase mit Kindern tatsächlich gelassen und entspannt abläuft. Dann kann man gut gerüstet in die Pubertät starten.


Mein Interview mit den beiden Buch-Autorinnen:
Interview mit den Autorinnen des Wunschkind-Blogs über ihr zweites Buch

Vielen Dank an den Beltz Verlag für das Rezensionsexemplar.

Die Eckdaten:
Danielle Graf, Katja Seide: "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn. Gelassen durch die Jahre 5 bis 10"*, Beltz Verlag, März 2018, 360 Seiten, ISBN 978-3407865045, 16,95 €

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Freitag, 25. Mai 2018

Der 5. Geburtstag der Kleinen

Als Montagskind wurde sie am 6. Mai 2013 geboren, und in diesem Jahr fiel ihr Geburtstag auf einen Sonntag. 5 Jahre alt ist die Kleine vor kurzem geworden und am Pfingstmontag haben wir nun ihren Kindergeburtstag nachgefeiert, da die Kita direkt nach ihrem Geburtstag geschlossen hatte. Das war etwas doof für sie, aber es ließ sich nicht ändern und ich denke, nach der wirklich schönen Feier mit ihren Freundinnen ist sie damit versöhnt.

Am Geburtstag selbst hielt sie sich zum ersten Mal an die Bitte, in ihrem Zimmer zu bleiben, bis wir sie holen würden. Dann aber war kein Halten mehr, und sie stürmte ins Wohnzimmer, um ihre Geschenke in Beschlag zu nehmen. Ihr großes Geschenk war diesmal das Puppenhaus Chelsea* von KidKraft, das ich schon mindestens 2 Jahre im Hinterkopf hatte. Wir hatten noch ein bisschen mehr Zubehör gekauft, wie z.B. eine Puppenfamilie*. Sehr gefreut hat sie sich außerdem über die CD "Lieder für Mädchen"*, die seitdem fast täglich bei uns läuft und auch beim Stoptanz beim Kindergeburtstag zum Einsatz kam. Außerdem bekam sie den Baby Born Sister Styling Kopf*, den ich bei Mom's Favorites & More gewonnen hatte, einen Geschichten-Sammelband "Freche Feen, zauberhafte Elfen und mutige Prinzessinnen"* (über dessen mangelhaften Zeilenumbruch ich mich allerdings jedes Mal beim Vorlesen ärgere), ein Eiskönigin-Stickerbuch*, ein Notizbuch, eine Waschtasche für ihre baldige erste Kitafahrt und den Kosmos Experimentierkasten "Mein erstes Gewächshaus"*. Der Große half beim Auspacken der Geschenke, nicht zuletzt weil er selbst so gespannt war;-)

Nach dem Frühstück war ein Ausflug zu Karl's Erdbeerhof geplant. Das ist mittlerweile schon Tradition zu ihrem Geburtstag, weil sie den Erdbeerhof liebt und immer wieder dorthin fahren möchte. Das Wetter war traumhaft und das Gelände um einige Neuerungen erweitert worden. Wir verbrachten mehrere Stunden dort und fuhren am späten Nachmittag nach Hause.




Abends machten wir zu dritt noch ein Pizza-Pickick zuhause, das finden die Kinder immer klasse, und dann war der Geburtstag schon wieder vorbei.

Über ihre bzw. unsere gemeinsame Entwicklung habe ich bei Instagram Folgendes geschrieben:
Ihre Geburt war total schön, die ersten Tage mit ihr allein im Krankenhaus paradiesisch und überhaupt empfand ich sie die ersten 3 Jahre als leicht zu händeln. Dann hab ich sie irgendwie verloren und seitdem haben wir ziemlich viele Konflikte. Sie ist gleichzeitig sehr selbstständig und in manchem noch total kindlich. Sie ist sehr liebevoll und gleichzeitig bringt sie mich so sehr auf die Palme, wie es der Große selten geschafft hat, vor allem nicht mehr in dem Alter. Ihr Wesen ist so anders als meines und trotzdem ist sie mir in manchem auch ähnlicher als der Große. Mein liebes kleines Mädchen, ich hoffe, dass wir ganz bald wieder zu dem innigen, selbstverständlichen Verhältnis wie früher zurück finden.
Nach dem Geburtstag am 6. Mai folgten die Kitaferien, zuerst ein Montag allein mit ihr zuhause, an dem wir die Geschenke der Großeltern, den Eiskönigin Spielplatz* und ein 3D-Puzzle Pferde als Stifteköcher von Ravensburger*, auspackten und bespielten, und danach zwei Tage, an denen ich mit ihr eine kleine Reise nach Potsdam mit Übernachtung im Hotel machte. Über Himmelfahrt waren wir für 4 Tage an der Müritz und dann startete die Kita wieder.

Am Pfingstmontag stand dann endlich ihre Kindergeburtstagsfeier an. Sie hatte vier Mädchen eingeladen, darunter ihre besten Zwillingsfreundinnen. Da der Große in diesem Jahr (erstmalig) in einem Indoorspielplatz feierte, wollte sie das natürlich auch gern für sich in Anspruch nehmen. Aber für die 4-5-Jährigen war uns das zu früh und sie willigte etwas widerstrebend ein, zuhause zu feiern. Dafür hatte ich Gipsfiguren zum Bemalen besorgt, das macht sie nämlich total gern. Und das Motto war Pferde, wie könnte es anders sein. Die Kleine war sehr aufgeregt und freute sich sehr.


Als die Mädchen eintrafen, war sie zuerst sehr scheu und zurückhaltend. Glücklicherweise die anderen nicht, und auch der Große legte sich ins Zeug. Wir packten die Geschenke aus, aßen Papageienkuchen, Donuts und Obst, dann führte der Große eine Schatzsuche an, wir machten Stoptanz, bemalten die Gipsfiguren,...


... tanzten in Kostümen, bauten Höhlen und zwischendurch spielten die Kinder auch frei. Es war total lustig und angenehm, die Gäste waren alle fröhlich und zugänglich, es gab so gut wie keine Zickereien und Auseinandersetzungen und die Mädchen fühlten sich wie ein tolles Team an. Einzig die Kleine hatte zwei Situationen, wo sie aus Frust weinte. Naja, das kennen wir ja schon von unseren Kindern bei Geburtstagsfeiern, ist auch nachvollziehbar, denn sie stehen ja durchaus unter Druck bzw. es ist alles aufregend. Sie ließ sich aber ganz gut beruhigen und steckte auch kein anderes Kind an. Die Stimmung war super, alle hatten Spaß und gingen am Abend freudig nach Hause. Alles in allem war es, fand ich, der entspannteste Kindergeburtstag von allen, die wir bisher mit beiden Kindern gefeiert haben. Die eingeladenen Gäste passten gut zusammen und der Große übertraf sich als Entertainer selbst. Irgendwie hat diesmal alles gestimmt. Trotzdem bin ich froh, dass wir nun erstmal wieder 10 Monate Pause bis zum nächsten Kindergeburtstag haben;-)

Und zwei Tage vor ihrem Kindergeburtstag stieg die Kleine, die zu ihrem 4. Geburtstag vor einem Jahr ein Fahrrad bekam, sich aber nur mit Stützrädern zu fahren traute, auf ihr Fahrrad auf und fuhr problemlos ohne Stützräder los. Toll! So ein großes Mädchen!



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Mittwoch, 16. Mai 2018

Exklusivzeit und Sightseeing: Die Kleine und ich im Kurzurlaub

Unsere Kita hat traditionell in der "Himmelfahrts-Woche" geschlossen, was ich immer toll fand, weil der Mai einfach meist so eine wunderschöne Zeit für Urlaub ist. Zwar sind dann keine Schulferien, aber ich finde es auch mal ganz nett, wenn die Kleine Ferien hat und der Große nicht, denn sonst ist es meist umgekehrt. Ich hatte mir die Tage freigenommen und wollte gern mit der Kleinen etwas Besonderes erleben, denn die Zeit zuhause mit den üblichen Dingen zu verbringen, finde ich immer etwas schade. Das liebe ich nur, wenn ich ganz allein zuhause bin...

Da sie am Sonntag (6. Mai) Geburtstag hatte und wir am Feiertag sowieso wegfahren würden, war die potentielle Zeitspanne klein und es sollte auch nicht zu weit weg gehen. So kam ich auf einen Kurzurlaub in Potsdam, von dem die Kinder bisher nur die Biosphäre kannten. Ich war früher, als ich im Südwesten von Berlin lebte und studierte, oft in Potsdam gewesen, aber nun schon lange nicht mehr, was ich sehr bedauerte. Ich hatte große Lust, mir die Stadt wiedermal anzuschauen und der Kleinen einige "Königsschlösser" zu zeigen. Die Vorteile: wir konnten mit der S-Bahn hinfahren und ich kannte mich soweit aus, dass mir die fremde Stadt keinen Stress verursachen würde. Ich buchte ein Hotel-Schnäppchen für eine Nacht und freute mich, wiedermal mit der Kleinen Exklusivzeit zu verbringen und ihr eine neue Stadt zeigen zu können. Ich finde es schön und wichtig, Exklusivzeit mit jedem Kind einzeln zu haben und das Kind möglicherweise anders als sonst zu erleben. Auch die Kinder genießen das meist sehr, und es ist für sie natürlich auch ein kleines Abenteuer. Bei der Kleinen, die ja seit nun schon mehr als 1,5 Jahren ein sehr herausforderndes Verhalten an den Tag legt, erhoffe ich mir durch gemeinsame Unternehmungen immer irgendwie eine Verbesserung der Situation. Deshalb hatte ich das im vergangenen Sommer zum ersten Mal mit ihr ausprobiert, als sie 4 1/4 Jahre alt war. Dieser erste gemeinsame Städtetrip war etwas merkwürdig gewesen, sie wirkte überfordert und verstört, ich konnte nicht wirklich viel mit ihr machen und hatte mir mehr davon versprochen. Nun war sie 5 Jahre alt geworden und wirkte begeistert, als ich ihr erzählte, dass wir wiedermal allein einen kurzen Urlaub, diesmal in Berlins Nachbarstadt Potsdam, machen würden.

Nikolaikirche

Freilich wusste ich, dass ich mit ihr weder Besichtigungen noch lange Spaziergänge durchführen könnte. Deshalb plante ich die Zeit so, dass meine Wünsche mit ihren Möglichkeiten halbwegs konform gingen. Ich wollte möglichst viele der Sehenswürdigkeiten "abklappern", wobei mir Vorbeifahren und Sehen völlig reichte. Ich hatte nicht im Geringsten den Anspruch, mir ein Museum/ Schloss o.ä. von innen anzuschauen. Ich wollte, dass sie Spielplatzzeit hat und wir gemütlich irgendwo im Freien essen konnten. Ich wollte mich am Wasser aufhalten, vielleicht sogar eine Schifffahrt erleben. Da sie sehr lauffaul ist, hatte ich mir überlegt, dass wir eine Hop On-Hop Off-Bustour machen, damit wir an den Sehenswürdigkeiten nach Belieben aus- und wieder einsteigen könnten. Außerdem nahm ich ihren Roller mit, den ich zusammengeklappt problemlos transportieren konnte. Immerhin hatte ich ja auch unser Gepäck zu tragen. Sie fand alle Ideen gut und freute sich.

Filmmuseum

Den Tag nach ihrem Geburtstag verbrachten wir noch zuhause, zumal es mir seit einer Woche überhaupt nicht gut ging, mit mehrmaliger Migräne, permanenten Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlappheit. Ich fürchtete sogar, alles absagen zu müssen, aber am Dienstag ging es dann halbwegs und wir fuhren nach dem Frühstück los. Nach 1 Stunde Fahrzeit kamen wir in Potsdam an und gingen erst einmal auf die Freundschaftsinsel in der Havel hinter dem Bahnhof, um Wasser und Grün zu tanken und uns zu bewegen. Einen schönen Spielplatz gibt es dort auch im hinteren Teil, aber die Kleine war sehr verhalten. Sie wollte gern ein Tretboot ausleihen, aber das war mir wiederum zu teuer und auch zu lange. Der erste Konflikt eine halbe Stunde nach unserer Ankunft;-)

Bei der Alten Meierei

Dann bestiegen wir unseren Hop On-Hop Off-Bus und nahmen am ersten Teil der Stadtrundfahrt teil. Dieser führte durch die Innenstadt zur Glienicker Brücke und weiter zum Schloss Cecilienhof. Dort stiegen wir aus und gingen zur Alten Meierei, wo es einen schönen Biergarten direkt am Jungfernsee gibt. Diesen kannte ich noch von früher. Wir stärkten uns, genossen das traumhafte Wetter, die Lage und die Sonne und die Kleine spielte ein wenig auf dem Mini-Spielplatz. Nun wollte ich den kurzen Weg zum Schloss Cecilienhof gehen. Da fing sie schon an zu schwächeln. Hilfe, es war erst Mittag...

Cecilienhof

Ich zeigte ihr Cecilienhof von außen, es war auch einiges los, da es der 8. Mai, der Tag der Befreiung war. Allerdings interessierte sie sich überhaupt nicht für die Geschichte hinter dem Ort, die ich ihr wirklich kindgerecht und einfach erzählte. Da war der Große im gleichen Alter tatsächlich anders gewesen, ihn konnte man dann schon wohldosiert mit ausgewählten Informationen füttern. Mit einem solchen Kind macht das dann natürlich auch mehr Spaß. Wir machten nochmal eine Eis-Pause. Danach fuhren wir weiter mit dem Bus, durch die Alexandrowka, die russische Siedlung, am Schloss Sanssouci vorbei bis zum Neuen Palais am anderen Ende des Parks Sanssouci. Das war sehr interessant für mich, ich sah vom Bus aus einige Sehenswürdigkeiten, die ich noch nicht kannte (Drachenhaus etc.) und war froh, diese Fahrt ausgesucht zu haben, da ich so auch auf meine Kosten kam. Allerdings interessierte sich die Kleine schon nicht mehr für die Informationen aus dem Kopfhörer und wirkte müde. Auf der Busfahrt konnte sie sich etwas ausruhen.

Sanssouci

Park Sanssouci

Zurück am Schloss Sanssouci stiegen wir aus und ich wollte etwas um das Schloss und im Park herumlaufen. Aber sie konnte nicht mehr, klagte immer wieder, wie anstrengend es sei (wir waren wirklich noch nicht viel gelaufen!) und dass sie ausruhen wolle. Also legten wir uns auf eine schattige Parkbank und machten Picknick. Es war sehr warm, aber total schön, und besser als Regenwetter allemal. Ich freute mich, Sanssouci endlich wieder zu sehen, fühlte mich aber ein wenig ausgebremst und hätte ich es noch gar nicht gekannt, wäre ich ziemlich frustriert gewesen. Dabei hatte ich so gut wie nichts erwartet. Natürlich erzählte ich kindgerecht etwas zur Geschichte, wir schauten dem verkleideten Friedrich zu, gingen in den Souvenirshop und machten immer wieder kleine Pausen. Aber sie konnte nicht mehr und so stiegen wir wieder in den Bus und fuhren zurück zum Bahnhof. Unser Hotel befand sich nämlich am 2 S-Bahn-Stationen entfernt gelegenen Griebnitzsee, also außerhalb des städtischen Trubels. Das war super und als wir in Griebnitzsee ausstiegen, genossen wir augenblicklich die Ruhe des Vororts.

Griebnitzsee

Das Hotel lag direkt am See und nach einer Ausruhzeit im Zimmer sogen wir noch gemeinsam die Abendstimmung am See auf. Die Kleine wirkte wieder fit, wollte zum Spielplatz und freundete sich dort gleich mit einem Mädchen an, so dass wir erst spät wieder im Zimmer waren. Ich war dann auch recht erschöpft und schlief früh, aber schlecht. Die Kleine war leider sehr früh wach, warum schlafen denn Kinder nicht länger nach so einem anstrengenden Tag?! Das leckere Frühstück auf einer sonnigen Terrasse direkt am Griebnitzsee entschädigte für die Nacht und wir genossen den Blick auf das Wasser, die Boote, das Grün und die Ruhe. Es war so schön, dass ich ihr nach dem Frühstück Malzeug holte und wir noch ein wenig länger sitzen blieben. Danach ging es kurz auf den Spielplatz und Getränke kaufen, wir checkten aus und warteten auf unser Schiff, das direkt am Hotel anlegen sollte. Ich hatte die Kleine gefragt, ob sie Lust auf eine Schifffahrt rund um Potsdam hatte, und sie hatte bejaht. Na mal sehen, bisher waren Schifffahrten mit ihr immer sehr unruhig und nervig gewesen.


Das Wetter war wieder klasse, wir bestiegen unser Schiff der 7-Seen-Rundfahrt und bekamen u.a. die Villen von Griebnitzsee und Babelsberg, den Park Babelsberg, die Glienicker Brücke, die Sacrower Kirche, die Pfaueninsel und den Wannsee zu sehen, eine total schöne und abwechslungsreiche Tour, die ich früher schon mal, aber nun ewig nicht mehr gemacht hatte. Die Kleine bekam ein Eis, ich erzählte ihr, was ich an dieser oder jener Stelle früher erlebt habe und wir gingen auf dem Schiff herum, damit es ihr nicht langweilig wurde.

 Glienicker Brücke

 Sacrower Kirche

Wannsee

In Wannsee stiegen wir nach ca. 1 h 20 min aus, sie kletterte auf dem tollen Spielplatz herum, wir aßen etwas, suchten uns eine Stelle, wo wir die Füße ins Wasser tauchen konnten und sangen "Pack die Badehose ein...". Das war echt schön, ich hatte viel gesehen und  Erinnerungen aufgefrischt, die Kleine war auch fröhlich und ausgeglichen und direkt am Wasser ist es sowieso immer herrlich. Gegen 14 Uhr fuhren wir mit der S-Bahn zurück nach Hause und unser Mädelskurztrip war beendet.

Am Wannsee

Fazit

Für mich war das Verhältnis diesmal ausgeglichen, was die Befriedigung ihrer und meiner Bedürfnisse anbelangt. Ich habe in der kurzen Zeit sehr viel gesehen und erlebt und bin ein Stück weit in meine Vergangenheit eingetaucht. Die Umgebung war vertraut und das Programm entspannt, das Wetter war super und die Kleine verschonte mich zum Glück weitestgehend von ihren üblichen Aussetzern, Kreischanfällen und Aggressionen. Wie auf unserer ersten gemeinsamen Reise war sie unerwartet still, zurückhaltend und scheu, dabei trotzdem wie gewohnt unruhig und hibbelig. Mit ihr kann man nicht lange an einer Stelle verharren oder sich auf eine Sache konzentrieren. Mit ihr kann man leider auch noch keine tiefergehenden Gespräche, z.B. über historische Anekdoten, führen. Sie interessiert sich noch nicht wirklich für die Dinge, für die ich mich begeistere. Trotzdem ist sie unternehmungslustig und freut sich generell darauf, etwas zu erleben.

Ob sie sich vielleicht was anderes unter unseren Ausflügen vorstellt, weiß ich nicht. Ich hatte ihr vorher mehrfach erzählt, was wir machen würden, und sie auch gefragt, ob sie darauf Lust habe. Im Zoo auf unserem ersten Kurztrip war sie ja auch so verhalten gewesen, obwohl sie Zoos liebt. Diesmal wollte ich ihr mal was anderes präsentieren. Und ich möchte sie auch ganz langsam und behutsam an diese Art des Reisens heranführen. Ich meine, die Urlaube mit kinderspezifischen Aktivitäten wie Buddeln am Strand, langen Spielplatz- oder Tierparkbesuchen, Schwimmbad, Kinderhaus etc. sind ja absolut in der Mehrzahl und das ist auch völlig okay. Dennoch soll sie (wie auch der Große) erleben, was Reisen auch bedeutet und dass man, wenn man mit einem Elternteil allein unterwegs ist, vielleicht ganz andere Dinge erleben kann als sonst. Man muss ja dann auch weniger Kompromisse schließen und kann spontaner sein. Ich finde es soviel einfacher, mit einem Kind allein unterwegs zu sein. Die Kinder genießen die Exklusivzeit meist auch sehr. Und es ist immer wieder spannend, eines meiner Kinder in solch einer Konstellation zu erleben.

Zwar ist die Kleine noch nicht so ein entspannter und reifer Reisepartner wie der Große, aber mir ist es wichtig, dass wir ihr etwas zutrauen und auch mal Dinge mit ihr machen, die der Große noch nicht kennt. Dann gewinnt sie mehr Selbstvertrauen, fühlt sich ernst genommen oder lernt vielleicht auch ihre Grenzen kennen. Für mich war das jedenfalls wieder ein spannendes Experiment, das ich sicherlich wiederholen werde. Und diesmal hatte ich wirklich selbst auch etwas davon, das war schön.

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