Dienstag, 24. Februar 2015

Die U8 des Großen am 23. Februar 2015

Gestern, 11 Tage vor dem 4. Geburtstag des Großen, hatten wir die U8, die Vierjahresuntersuchung, bei unserer Kinderärztin. Da sie diese Untersuchungen nur vor oder nach ihrer regulären Sprechzeit macht, wählte ich einen Termin um 8 Uhr, damit der Große fit genug ist und ich ihn danach noch in die Kita bringen konnte. Wir verließen die Praxis um 9:35 Uhr, waren zwar nicht die ganze Zeit komplett im Untersuchungsmodus, aber ca. eine Stunde hat das Ganze schon gedauert. Wir waren beide danach ziemlich knülle.

Der Große war irgendwie doch noch ein wenig angeschlagen von seiner Krankheit und klammerte und jammerte die ganze Zeit mehr oder weniger stark. Diesen extremen Klammermodus hatten wir eigentlich halbwegs überstanden, als er ca. 2,5 Jahre alt war. Letztes Jahr bei der U7a mit 3 Jahren war er wesentlich aufgeschlossener. Obwohl ich ihn gut vorbereitet und ihm immer wieder erklärt hatte, was heute passiert, wirkte er insgesamt ziemlich überfahren, wollte ab und zu die Kooperation verweigern und hing immer an mir dran. Morgens hatte er mir "tschüss" gesagt, obwohl ich angezogen im Flur stand und die letzten Tage gebetsmühlenartig gepredigt hatte, dass wir zusammen zur Kinderärztin gehen. Nun ja.

Wir kamen rein, setzten uns hin, ich bekam zwei Fragebögen und fing an, diese auszufüllen, da kam schon eine Sprechstundenhilfe und wollte den Großen alleine mit zum Seh- und Hörtest nehmen. Er weigerte sich mitzukommen. Verständlicherweise. Was ist das für eine Erwartung an ein 4-jähriges Kind, allein mit einer wildfremden Person an einem unbekannten Ort (wir sind zum Glück sehr seltene Gäste bei der Kinderärztin) zu einer nicht einordenbaren Untersuchung mitzugehen?! Das wäre ja genauso, als würde auf dem Spielplatz eine fremde Person ihn zum Mitgehen auffordern, nur dass diese vielleicht noch ein Leckerli als Anreiz bieten würde! Obwohl unsere Kinderarztpraxis wirklich sehr menschlich und nett ist, war ich doch ziemlich entsetzt, ernsthaft von einem kleinen Kind zu erwarten, sich 2 Minuten nach Ankunft von der Mama zu trennen. Ich ging also mit, er setzte sich auf meinen Schoß und die Seh- und Hörtests sowie der Test zum räumlichen Sehen wurden durchgeführt. Wie ich nachher erfuhr, hätte auch noch ein Farberkennungstest stattfinden müssen, wurde aber vergessen und auch nicht nachgeholt. Bei diesen Tests war alles in Ordnung, die Ohren zwar noch etwas erkältungsbeeinträchtigt, aber nur unwesentlich.

Danach warteten wir auf die Ärztin, der Große sollte sich ausziehen und wurde gewogen und gemessen (Körpergröße und Kopfumfang). Alles war sehr schwierig und der Ablauf stotterte immer wieder, weil er sich verweigerte. Zum Glück drängte uns niemand; auch dies habe ich schon bei einem anderen Arzt mit ihm zusammen erlebt, und als Ergebnis verweigerte er sich komplett. Das diesmal zum Glück nicht. Danach stellte die Sprechstundenhilfe ein paar Fragen an mich und an ihn, ich füllte eher nebenbei den zweiten Fragebogen aus. Ich hatte bei diesem einen Schreck bekommen, weil mir die Anforderungen viel zu hoch schienen, bis ich sah, dass er sich auf die Entwicklung 5-jähriger Kinder bezieht. Auf meine Nachfrage teilte man mir mit, dass er trotzdem benutzt wird, aber die Auswertung anders erfolgt. Schon komisch. Gibt es keinen spezifischen Fragebogen, der die Fähigkeiten 4-jähriger Kinder abfragt?! Außerdem datierte er von 1993/1994, was ganze 20 Jahre her ist! Das kann doch logischerweise nicht mehr auf dem neuesten Stand sein, oder?



Die Sprechstundenhilfe machte einige Sprachtests mit ihm, weil ich auf zwei Ausspracheschwierigkeiten hingewiesen hatte. Er spricht "S" und "Sch" noch etwas verwaschen aus und Aneinanderreihungen von Konsonanten, z.B. "Br", "Dr", "Fr", "Tr", tendenziell als "Gr". Dann fragte sie mich, ob ich noch Anliegen oder Probleme hätte, die ich gerne klären würde, und ich schilderte die drei Themen, die mir auf der Seele lagen. Sie dokumentierte alles fleißig.

Danach kam die Ärztin, hörte ihn ab (das Herzgeräusch, was uns bei der U7a noch einen großen Schrecken eingejagt hatte und vom Kardiologen abgeklärt werden musste, war glücklicherweise weg), kontrollierte die Ohren und die Zähne, untersuchte die Füße (rechts ist immer noch ein leichter Knick-Senkfuß, der sich bis in einem Jahr verwachsen sollte), die Wirbelsäule, den Unterbauch und die Genitalien. Eine wirklich umfangreiche und ausführliche körperliche Untersuchung war das, was ich sehr gut finde. Zwischendurch sollte er sich auf die Untersuchungsliege legen und hat dabei fürchterlich geweint. Hinlegen und Ausgeliefert-Sein scheint ein ganz schreckliches Gefühl für ihn zu sein. Ähnliche, zum Teil noch drastischere Erfahrungen haben wir schon oft mit ihm gemacht.

Dann animierte sie ihn noch zum Hüpfen, Ball werfen, Ball fangen (ich musste alles mitmachen, alleine ging nicht viel), testete seine Malfähigkeiten und wertete die Fragebögen kursorisch aus. Er hat ein Strichmännchen gemalt, mit dem sie sehr zufrieden war, da die Beine aus dem Körper herauswuchsen, nicht aus dem Kopf, wie bei den meisten Kindern in dem Alter, und in einem unbeobachteten Moment, als ich mit ihr sprach, malte er ein für die Ärztin interessantes Bild, was er auch erklären konnte. Damit und mit den zwei Fragebögen war sie jedenfalls hochzufrieden. Auf seine Stifthaltung (Stift in der Faust, wird langsam weniger) ist sie nicht eingegangen, ich habe diesmal ehrlich gesagt auch gar nicht darauf geachtet, wie er den Stift hielt.

Das Gewicht (17,1 kg) im Verhältnis zur Größe (108 cm) ist okay, er ist wirklich sehr schlank, aber es ist nicht besorgniserregend wenig. Er isst halt insgesamt sehr wenig, das war schon immer so. Wenn man allerdings bedenkt, wie rasant er im 1. Lebensjahr zugenommen hat (bei der U6 mit einem Jahr 10,4 kg) und dazu im Vergleich die Gewichtszunahme von der U7a mit 3 Jahren zu jetzt von gerade mal einem Kilo sieht, fühlt sich das schon komisch an. Ändern kann man es aber nicht und es ist alles im Rahmen der normalen Perzentilen. Er ist eben sehr groß für sein Alter. Das Gewicht ist da eher normal.

Was die Aussprache betrifft, so habe ich mit ihr vereinbart, dass wir einfach beobachten, wie es sich entwickelt. Man soll ja die Kinder nicht verbessern, sondern die Aussage wiederholen und das betreffende Wort dann korrekt aussprechen. Bei der U7a mit 3 Jahren konnte er das "F" noch nicht korrekt aussprechen (sagte "S"), und das änderte sich ca. ein Vierteljahr nach der Untersuchung. Ich vertraue da wirklich auf die zunehmende Reife und dass sich vieles ganz von allein entwickelt, ohne dass man nachhelfen muss.

Da die Ärztin dann die Untersuchung mit einer Urinprobe abschließen wollte, habe ich von mir aus die zuvor schon geäußerten Anliegen angesprochen, und das Gespräch darüber dauerte dann noch eine ganze Weile. Ein Anliegen betraf das nächtliche Trockenwerden, was noch in weiter Ferne zu sein scheint. Dahingehend beruhigte sie mich und meinte, dafür hätten wir noch Zeit und oft würde das wie alle Entwicklungsschritte von heute auf morgen kommen.

Das zweite Problem betraf das Problem des Anziehens mit dem hier beschriebenen Leidensdruck vom Großen und von uns natürlich auch. Ich sprach die Möglichkeit von eventuell väterlicherseits vererbten Hautproblemen an. Dazu äußerte sie, ohne dass ich jemals das Thema Hochsensibilität bei ihr angedeutet hätte, überraschend einige Gedanken zu einer möglicherweise gesteigerten Sensitivität und veränderten Reizverarbeitung. Ernsthafte Hautprobleme, Neurodermitis etc. schloss sie eigentlich aufgrund ihrer eigenen Untersuchungen und meiner Schilderungen aus. Wäre dies der Fall, müsste das Problem ja immer und überall auftreten, nicht nur zuhause. Wir sollen nun nochmal in der Kita fragen, ob dort schon dahingehende Äußerungen von ihm aufgefallen wären. Wenn nicht, dann äußert er dieses immense Unbehagen tatsächlich nur bei uns (und bei seinen Großeltern), in seinem geschützten Bereich. Das finde ich ja grundsätzlich positiv, mindert aber nicht unseren und seinen immensen Leidensdruck.

Das dritte Anliegen war meine Sorge bezüglich seiner generellen Schlappheit und Kraftlosigkeit. Ich weiß nicht, ob andere 4-jährige Kinder auch ständig sagen: "Ich bin schlapp. Ich habe keine Kraft. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht laufen." Diese Aussagen gibt er von sich, seit er sich entsprechend artikulieren kann. Und zwar nicht erst in Belastungssituationen, sondern bevor er sich überhaupt in irgendeiner Form betätigen muss. Er konnte beispielsweise mit 11 Monaten frei laufen, läuft aber bis heute mit uns kaum mal eine längere Strecke am Stück. Er fährt meist Laufrad oder will ab und zu auf's Buggyboard. Und wieder ist das ein Verhalten, was er nur bei uns bzw. vertrauten Personen (Großeltern) zeigt. Das heißt aber nicht, dass er simuliert. Ich denke, er empfindet in diesen Momenten tatsächlich so und lässt sich eben einfach in sein persönliches Netz fallen. Auch dies ist für uns oft sehr nervenaufreibend. Der Kardiologe hatte vor einem Jahr eine leichte kindliche Bradykardie infolge von Regulations-Unreife (interessant die Parallele zum Großen als regulationsgestörtem Baby) festgestellt, d.h. sein Herz schlägt etwas langsamer als altersentsprechend normal wäre, woraus eine leichte Kreislaufschwäche resultiert. Das ist vererbt, aber nicht behandlungsbedürftig. Es kann die Ursache für seine Schwäche sein. Um aber ernsthafte körperliche Ursachen auszuschließen, schlug die Kinderärztin ein großes Blutbild vor, um alle Werte einmal durchzuchecken. Wir gehen nun also nächste Woche nochmal nüchtern zur Blutabnahme und ein weiteres Mal zur Auswertung. Dann haben wir hoffentlich Gewissheit. Egal wie es ausgeht: ich kann besser damit umgehen, wenn ich alle Untersuchungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe.

Es ist natürlich immer schwierig, solche Probleme vor dem Kind zu besprechen. Zumal er sehr genau zuhört und sicherlich vieles schon versteht. Ich will ihn auch nicht noch mehr problematisieren, mich aber schon mit der ärztlichen Seite darüber beraten. Da wir so selten mit ihm bei der Ärztin sind, musste ich alles in diesen Termin packen. Ich werde hier berichten, wie es nun weitergeht. Die U8 jedenfalls haben wir, trotz seines Klammerns, ganz gut gemeistert. Ärztlicherseits gibt es keinerlei Sorgen, die die Entwicklung des Großen betreffen. Die nächste große Untersuchung ist dann die U9 in einem Jahr.

Sonntag, 22. Februar 2015

Gedanken über verschiedene Erziehungsmottos von Elternbloggern

Die Auftragsmama hat eine Mammutarbeit absolviert und von verschiedenen Familienbloggern das Erziehungsmotto, den roten Faden, das Leitmotiv des Umgangs mit ihren Kindern gesammelt. Eine umfangreiche Kompilation ist dabei herausgekommen. Und ich bin unter Nr. 31 mit meinem Motto "Bedürfnisse verschwinden, wenn man sie erfüllt" mit dabei! Ich finde diese Zusammenstellung wunderbar vielseitig und aufschlussreich. Mit einigen Aussagen kann ich mich mehr, mit anderen weniger solidarisieren. Interessant ist alles. Schön finde ich, dass sich auch 6 Papablogger beteiligt haben, da ich persönlich die Erfahrung gemacht habe, dass die meisten Papas sich und ihren Umgang mit den Kindern nicht vergleichbar reflektieren und hinterfragen wie die Mamas.

Was mir beim Lesen wieder einmal sehr klar geworden ist: im deutlichen Unterschied zu einigen der beitragenden Familienblogger brauche ich den Austausch über "Erziehung" bzw. über den Umgang mit meinen Kindern, sei es durch sogenannte Erziehungsratgeber, persönliche Gespräche oder virtuelle Kontakte, unbedingt. Das heißt nicht, dass ich schnell Ratschläge annehme, nein, eher im Gegenteil. Aber ich muss mich austauschen und belesen, um mich abgrenzen zu können und meinen persönlichen Weg mit den Kindern finden zu können. Oft ist das Ergebnis eben auch der Gedanke "Nein, so würde ich das und das nicht machen". Und genau das ist der Abgrenzungsprozess. Hätte ich mich nicht durch Bücher und viele, viele Webseiten, Foren und Blogs in den letzten Jahren durchgelesen, stünde ich noch lange nicht da, wo ich heute stehe, vor allem im Umgang mit dem Großen. Und deswegen bin ich sehr froh und dankbar über jeden Austausch.

Und was das Bauchgefühl betrifft: im ersten Babyjahr des Großen zweifelte ich komplett an meinem Bauchgefühl und an meinen Mama-Kompetenzen. Das beschreiben viele Eltern von Schreibabys. Wenn das Kind Dir kein positives Feedback gibt, wird auch die selbstbewussteste Mama irgendwann an sich zweifeln. Es ist also nicht automatisch so, dass alle Eltern ein zuverlässiges Bauchgefühl, eine untrügliche Intuition haben. Gerade mit schwierigen Kindern wird das auf eine harte Probe gestellt, und was bei anderen Kindern gut funktioniert, ist hier grundfalsch. Oft fehlt auch einfach die Kraft, und die hinzu kommenden Vorwürfe von außen verunsichern noch zusätzlich. In dieser Situation war es für mich lebensnotwendig, aus Büchern, dem Internet und Gesprächen mit einigen wenigen persönlich bekannten Schreibaby-Eltern zu wissen, dass wir nicht allein sind. Ohne dieses Feedback wäre ich schlichtweg verzweifelt.

Viele meiner ursprünglichen "Erziehungsvorstellungen" haben sich im Laufe der letzten Jahre in Luft aufgelöst. Einiges funktionierte einfach nicht, anderes wurde durch das Kind mit den besonderen Bedürfnissen, den Großen, ausgehebelt, und vieles wurde neu durchdacht, reflektiert und hinterfragt. Seit ich Kinder habe, die mein Leben auf den Kopf gestellt haben, habe ich mich komplett neu kennengelernt, was nicht immer angenehm war, aber ein notwendiger Lernprozess, der noch lange anhalten wird. Ich denke, es hängt viel vom Wesen des Kindes ab, wie viel oder wenig es von einem fordert und wie man damit klarkommt. Ich kenne einige (wenige) Menschen, die explizit sagen, dass sich durch die Geburt ihres (pflegeleichten) Kindes nichts in ihrem Leben oder ihrem Charakter geändert hat. Solche Menschen hinterfragen und verändern sich dann auch zwangsläufig weniger, da die Notwendigkeit nicht besteht. Bei mir persönlich ist kein Stein auf dem anderen geblieben; alles wurde plötzlich obsolet. Deshalb steht das Gedanken-machen und Hinterfragen an einer der vordersten Stellen. Und das wird genährt durch kompetente Informationen und den Austausch auf unterschiedlichsten Kanälen.

Ansonsten gehe ich mit vielen Gedanken der beitragenden Elternblogger konform. Es ist wirklich toll, so viele Anregungen in einem Text zu finden. Lest ihn mal - es lohnt sich!

Freitag, 20. Februar 2015

Nachwehen der Piratennacht

Der Große hatte ja vom letzten Freitag auf Samstag seine erste Piratennacht in der Kita. Meine Gedanken dazu sind hier nachzulesen. In der Nacht blieb alles ruhig, und wir hatten ein gemütliches Frühstück mit der Kleinen allein. Am Samstag holte ihn mein Mann um 9:30 Uhr in der Kita ab. Die Kleine und ich machten einen ausführlichen Spaziergang, damit der Große samt Papa erstmal ruhig zuhause ankommen konnte und nach dem Trubel in der Kita nicht gleich von der ganzen Familie überfallen wird. Der Papa beschäftigte sich vormittags schön mit dem Großen zuhause und er konnte in Ruhe runterkommen.

Als wir dann kamen, hatte ich allerdings schon gehofft, dass er etwas mehr Emotion beim Wiedersehen zeigt. Die Kleine begrüßte ihn freudig, streichelte ihn und war begeistert, dass er wieder da ist. Von ihm kam - nichts. Ich begrüßte und umarmte ihn, zeigte meine Freude und sagte, wie stolz er sein kann, dass er so eine tolle Piratennacht hatte. Und wieder kam - nichts. Ich bin ja die Emotionslosigkeit von ihm gewöhnt, kenne es eigentlich nicht anders und hatte solch eine Reaktion ja auch erwartet. Aber es wirft einen trotzdem immer wieder aus der Bahn und schmerzt. Ich war sowieso die Tage davor schon extrem dünnhäutig gewesen und die Situation mit der sehr knatschigen, anhänglichen Kleinen ging mir an die Nieren.

Die Nacht von Samstag auf Sonntag war leider sehr schlecht. Er kam um 1 Uhr zum Papa, um 1:30 Uhr dann sogar ins Schlafzimmer zu mir und der Kleinen, was er sonst nie macht, und war dann den Rest der Nacht wieder beim Papa mehr als unruhig. Da dachten wir noch, er muss die auswärts verbrachte Nacht verarbeiten. Am Sonntag vormittag lotste ich beide Kinder raus zu einem Spaziergang, aber da war er schon total schlapp und antriebslos. Mittags zuhause hatte er dann Fieber, was wirklich ungewöhnlich für ihn ist. Beide Kinder waren und sind keine Fieberkinder und haben sehr selten erhöhte Temperatur. Den Großen mussten wir zuletzt im Februar vor 2 Jahren wegen Grippe eine Woche zuhause lassen! Am Nachmittag blieb er mit dem Papa zuhause und ich ging mit der Kleinen nochmal raus.

Da das Fieber am Abend und am nächsten Morgen wieder weg war, brachten wir ihn am Montag in die Kita. Dort war auch alles in Ordnung. Aber als ich ihn abholte und wir nach Hause kamen, fieberte er schon wieder und klagte über fiese Kopfschmerzen. Wir ließen ihn von Dienstag bis Donnerstag zuhause, die Temperatur war mal höher, mal niedriger, die Verfassung und die Laune mal besser, mal schlechter, aber insgesamt wirkte er ziemlich krank. Glücklicherweise ist er mit knapp 4 Jahren mittlerweile so weit, dass er sich mehr oder weniger ausruht, wenn er krank ist, und so waren die Tage relativ entspannt. Wir haben uns mit Büchern und Puzzles beschäftigt, gemalt, Kuchen gebacken etc. Wenn ich mich erinnere, wie es früher mit ihm, egal ob gesund oder krank, zuhause war, wie unruhig, unzufrieden und fordernd er immer war und man nach spätestens einer Stunde fluchtartig das Haus verließ, weil man einfach nicht mehr konnte, dann ist das jetzt schon ein riesiger Unterschied. Zum Glück!

Heute testeten wir einen halben Kitatag, da er seit gestern komplett fieberfrei war, und der Papa holte ihn nach dem Mittagessen ab. In der Kita war wohl wieder alles bestens, aber danach war er laut Papa sehr weinerlich und schlapp, so dass er nachmittags zuhause blieb und ich mich mit der Kleinen bespaßte. Er hatte heute auch keine Temperatur mehr, wirkt aber immer noch sehr angeschlagen. Nun hoffe ich inständig, dass er bis Montag wieder fit ist, weil ich dann mit ihm zur U8 zur Kinderärztin gehe (und auch keine Lust auf eine weitere Krankenwoche habe, wobei mein Mann und ich uns da immer halbe-halbe reinteilen).

Was wir immer merken, wenn wir uns notgedrungen mit den Kindern aufteilen, ist die Tatsache, wie entspannt es mit einem Kind ist. Das habe ich natürlich damals mit nur einem Kind nicht so empfunden, aber jetzt im Vergleich ist es wirklich so. Man ist innerlich wesentlich weniger angespannt, der Lärm- und Streitpegel ist um 1000 Prozent niedriger und man kann sich eben intensiv und ausschließlich auf das eine Kind einlassen. Das macht soviel aus. Da merke ich doch immer, wie es mich belastet, dass ich mich beispielsweise nachmittags immerzu zerreißen muss. Nun sind ja auch beide nicht gerade genügsame Kinder und leider keine Meister der Selbstbeschäftigung, sondern brauchen viel Aufmerksamkeit. Heute bin ich im Schneckentempo mit der Kleinen von der Kita nach Hause gebummelt und wir haben für den Weg von 10 Minuten inklusive kleinen Zwischenstopps anderthalb Stunden gebraucht. Das war so schön! Mit beiden Kindern ist sowas gar nicht möglich, weil der Große dann ungeduldig wird bzw. die Kleine auch gar keine Lust hat, zu balancieren und zu entdecken. Also eine schöne Erfahrung, die Spaß macht, aber leider zu Lasten der Freizeit eines Elternteils geht. Generell versuchen wir ja schon, dass einer von uns mit beiden Kindern was unternimmt, damit der andere wenigstens mal 2 Stunden frei hat. Da wir ja keinerlei Großelternhilfe vor Ort haben, ist das unsere einzige Möglichkeit, Zeit für sich zu haben...

Nun hoffen wir natürlich, dass die Genesung des Großen weiter fortschreitet und die Kleine gesund bleibt. In der Kita hängen aktuell 5 rote Schilder zu den gerade vorkommenden Krankheiten. Und wir Eltern waren/ sind auch angeschlagen. Winter, geh endlich vorbei! Heute in 2 Wochen feiert der Große seinen 4. Geburtstag. Das ist unser ganz persönlicher Frühlingsstart.
 

Montag, 16. Februar 2015

Stolz und Würde

Heute mal eine kleine Alltagsgeschichte mit Lernpotential für mich:

Der Große saß gestern beim Abendbrot, als er plötzlich meinte, er müsse jetzt unbedingt sofort seine Strumpfhose und seinen Slip ausziehen, ohne einen speziellen Grund dafür zu nennen. Da wir ja bei ihm, was das Anziehen und die Kleidungsfrage insgesamt betrifft (wie hier nachzulesen), gebrannte Eltern und durch die täglichen Reibereien entsprechend überempfindlich sind, lief bei uns sofort im Kopf der gängige Reaktionsfilm à la "Was ist das jetzt wieder für eine Marotte?!" ab. Ich sah es meinem Mann an, dass er kurz davor war, eine Bemerkung zu machen, die den Großen mit Sicherheit gekränkt hätte. Bevor aber einer von uns irgendetwas Verständnisloses oder Genervtes sagen konnte, hatte ich einen millisekundenschnellen Geistesblitz und fragte ihn ganz neutral, ob der Slip ein wenig nass sei. Er schaute mich überrascht und sichtlich erleichtert an, bejahte, wir gingen ins Bad und wechselten ohne Aufhebens die Kleidung. Es waren lediglich ein paar kleine Tropfen reingegangen, was aber für ihn schon ausreichend unangenehm war. So sehr, dass er nicht direkt sagen konnte, was ihn bedrückte und warum er wechseln wollte. Die ganze Situation ging für ihn so würdevoll vonstatten, dass man deutlich merkte, wie ihm ein Stein vom Herzen plumpste, weil jemand seine verklausulierte Aussage, seinen versteckten Hilferuf verstanden hatte.

Ich war heilfroh, dass mir diese nicht gerade naheliegende Eingebung (er ist seit 1 3/4 Jahren tagsüber trocken) eingekommen war und er auf diese Weise seine Würde wahren konnte. Ich hoffe aber trotzdem, dass er zukünftig lernt, seine Beweggründe für nicht ohne weiteres nachvollziehbare Bedürfnisse deutlicher zu vermitteln. Das würde viele potentielle Missverständnisse vermeiden. Ich denke, jeder andere hätte ihn in dieser Situation, mit dem Reizthema Klamotten im Hinterkopf und der Abendbrotgeschichte im Vordergrund, angepfiffen. Dann hätte er wie so oft sofort dichtgemacht und die Sache hätte sich nicht gelöst. So aber war es für alle ein befriedigender und unspektakulärer Ausgang einer kleinen Alltagssituation. Schön und eigentlich so einfach!

Samstag, 14. Februar 2015

Hochsensible in der Partnerschaft (Buchrezension)

Nachdem ich vor einiger Zeit das Buch Hochsensible Mütter von Brigitte Schorr gelesen habe, was die einzige deutsche Lektüre zum schwierigen Thema Hochsensibilität und Mutterschaft ist, werde ich im Folgenden ihr neues Buch Hochsensible in der Partnerschaft vorstellen, welches mir der Hänssler Verlag freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte. Zu diesem Thema existieren auf deutsch ansonsten, soweit mir bekannt ist, nur noch die Bücher Hochsensibilität in der Liebe der Pionierin in der Erforschung der Hochsensibilität, Elaine N. Aron. und Sensibilität und Partnerschaft.

Grundsätzlich denke ich, dass das Thema nicht nur im begrenzten Rahmen der an Hochsensibilität Interessierten, sondern auch gerade für Nicht-Hochsensible sehr interessant sein müsste. Da der Anteil der Hochsensiblen ja oft mit ca. 15% angegeben wird, heißt das zwangsläufig, dass viele Hochsensible mit Nicht-Hochsensiblen in Partnerschaften sein müssten bzw. sind. Daraus ergeben sich schon mal per se Verständnisschwierigkeiten, unterschiedliche Erwartungshaltungen, verschiedene Belastbarkeiten, die zu Konflikten in Beziehungen führen können. Aber auch Partnerschaften zwischen zwei hochsensiblen Menschen bergen Konfliktpotential, wenn auch viele Möglichkeiten eines wunderbaren, verständnisvollen und erfüllten Miteinanders. Für beide Seiten kann also die Beschäftigung mit dem Thema von Nutzen sein, besonders, wenn man seinen hochsensiblen Partner nicht verändern, sondern wirklich aus tiefster Seele verstehen möchte und dieser auch bereit ist, sich ganz zu öffnen.

Brigitte Schorr schreibt in ihrem gut lesbaren Stil ein nicht zu umfangreiches und mit praktischen Beispielen aus ihrer Erfahrung als psychologische Beraterin untermauertes Buch, welches übersichtlich strukturiert ist. Im ersten Teil stellt sie prägnant zusammengefasst das Phänomen der Hochsensibilität vor und lässt schon daraus entstehende potentielle Probleme in Partnerschaften anklingen. Sie schreibt, dass "diese Eigenschaft Beziehungen so sehr prägt wie kaum eine andere" (S. 11). Deshalb müsse man sie unbedingt berücksichtigen, wenn es um Beziehungen mit mindestens einem hochsensiblen Partner geht.

Sie umreißt kurz die verschiedenen Theorien zur Vererbung bzw. Entstehung von Hochsensibilität und resümiert für sich: "Aufgrund dieser Beobachtungen neige ich zu der Ansicht, dass Hochsensibilität ein Produkt aus einer angeborenen Veranlagung und aus Lebenserfahrungen ist." (S. 30). Ihre 4 wichtigsten Kriterien der Hochsensibilität, die ich sehr hilfreich zusammengefasst finde, sind:

1. Die schmale Komfortzone (Wohlfühlbereich) sowie die Anstrengung, diese immer wieder herzustellen bzw. zu halten
2. Die schnelle Überreizbarkeit (Überstimulation), die enorme Erschöpfung auslöst
3. Das lange Nachhallen (langsame und intensive Verarbeitung)
4. Die individuelle Wahrnehmungsfähigkeit (sensorisch, empathisch, kognitiv)

Diese ersten 40 Seiten fassen so gut und verständlich zusammen, was Hochsensibilität bedeutet, dass sie sich auch als Einstiegslektüre für interessierte Nicht-Hochsensible eignen, die nicht gleich in die Tiefe der Bücher von Elaine N. Aron gehen wollen.

Im zweiten, längsten Teil geht sie ausführlich darauf ein, wie Hochsensibilität die Partnerschaft beeinflusst, und stellt gleich zu Beginn grundsätzlich fest: "Allein die Tatsache, eine Partnerschaft oder eine Ehe zu führen, kann sich für Hochsensible sehr krisenhaft anfühlen. Schon die räumliche Anwesenheit des anderen (...) kann sehr überstimulierend sein." (S. 45). Das kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung nur bestätigen. Eine hochsensible Person, die meist unter einer permanenten Grundanspannung steht, kann sich nur erholsam entspannen, wenn sie allein ist. Das mag für eine nähebedürftigere Person schwer nachzuvollziehen sein. Es ist aber wichtig, dass beide Partner das akzeptieren, immer wieder ins Gespräch darüber gehen und für Möglichkeiten zum Alleinsein für den hochsensiblen Teil sorgen. Der hochsensible Partner wiederum sollte selbst noch mehr auf seinen inneren Stresspegel achten und entsprechende Auszeiten einfordern. Das Alleinsein muss nicht unbedingt zuhause stattfinden. Gerade Hochsensible können sich sehr gut in der Natur entspannen, bei Spaziergängen oder Gartenarbeit. Oft ist sogar diese "aktive Entspannung" besser, weil das Gedankenkarussell andere Eindrücke erhält. Essentiell ist auch ein gesunder Wechsel aus An- und Entspannung. Ein ganz wichtiger Aspekt in der Partnerschaft mit einem Hochsensiblen, speziell was das Ruhebedürfnis angeht, ist meiner Erfahrung nach: "Wenn man selbst nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu managen, dann kann es der Partner oder die Partnerin tun." (S. 77) Das kann ein nicht-hochsensibler Mensch, wenn er den Partner gut kennt, genauso übernehmen wie ein hochsensibler Partner, dessen Belastungsgrenze aber mit Sicherheit nicht identisch ist. Das ist für mich ein entscheidender Aspekt einer guten Partnerschaft: wenn einer nicht mehr kann oder nicht merkt, dass er eine Auszeit bräuchte, springt der Partner ein, stützt und leitet alles in die Wege, damit es dem anderen Teil wieder besser geht. Notfalls auch mit sanftem Druck.

Im Gegenzug können Hochsensible durch die "täglichen Sorgenszenarien und Gedankenspiralen in ihren Köpfen" (S. 80) sehr gutes Krisenmanagement in einem akuten Ernstfall betreiben, wovon auch der normalsensible Partner profitieren kann. Sie können in solchen Situationen sehr effektiv und pragmatisch handeln, weil sie alles, was passieren könnte, schon hundertmal im Kopf durchgespielt haben. Nach der Krise allerdings sollte es die Aufgabe des nicht hochsensiblen Partners sein, den zu erwartenden Erschöpfungszusammenbruch des Hochsensiblen aufzufangen und das normale Alltagsmanagement wieder zu übernehmen, damit dieser sich regenerieren kann. Diese Empfehlung ist in meinen Augen sehr wertvoll und sollte von beiden Seiten verinnerlicht werden. Schwierig wird es allerdings, wenn die Partnerschaft aus zwei hochsensiblen Personen besteht. Zu dieser Konstellation, die viele schöne Erfahrungen beinhalten kann, aber auch Schwierigkeiten mit sich bringt, erwähnt Schorr leider nur am Rande einige verstreute Gedanken.

Missverständnisse und Enttäuschungen können auch ausgelöst werden durch ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, eine große Erwartungshaltung an den Partner und das tief verankerte Bedürfnis Hochsensibler, verstanden zu werden. Dazu schreibt Schorr: "Die meisten Hochsensiblen, die ich kenne, verfügen über eine Grundnervosität und eine hohe Grundanspannung. (...) Eine Person mit hoher Grundanspannung benötigt besonders viel Sicherheit. (...) Machen Sie  sich bewusst, dass Sie an der Basis Ihrer Beziehung arbeiten, wenn Sie den Zugang zu Ihrer inneren Sicherheit stärken." (S. 59f.)

Durch die übergroße lebenslange Sehnsucht Hochsensibler danach, verstanden zu werden, entsteht oft eine hohe Erwartungshaltung und ein Idealbild von einem Partner, der das erfüllen soll. Die meisten Hochsensiblen sind seit ihrer Kindheit immer wieder missverstanden und nicht akzeptiert worden, was verständlicherweise Einsamkeit hervorruft. Deshalb sehnen sie sich inständig nach dem einen Menschen, der sie versteht und so annimmt, wie sie sind. Wenn dies nicht wie erhofft erfüllt wird, kann es passieren, dass manche Hochsensible nach und nach das Verständnis für ihr Gegenüber verweigern. Nicht bewusst und nicht böswillig, sondern "wegen eines empfundenen Ungleichgewichts" (S. 66). Dessen sollte sich der nicht-hochsensible Partner bewusst sein und seinerseits wieder den ersten Schritt auf den anderen zugehen. Andererseits kann aber ein Hochsensibler in Beziehungen auch eine übergroße Empathie entwickeln, weil er oder sie genau spürt, wie es dem Partner geht, dessen Gefühle übernimmt und aus einem großen Harmoniebedürfnis heraus die eigenen Gefühle und Bedürfnisse hintenan stellt.

Häufig wirken Hochsensible (oder sind tatsächlich) ungeduldig und kompromisslos, was leicht zu Konflikten in Beziehungen führen kann. Beide Seiten sollten sich bewusst werden, dass das vor allem daran liegt, weil sie alles x-fach durchdenken und vorausplanen. Auch diese Eigenschaft sollte der nicht-hochsensible Partner schätzen und nutzen, dafür aber seinerseits eher Entscheidungen übernehmen, die Hochsensiblen aufgrund des intensiven Abwägens schwer fallen. Andere in einer Partnerschaft möglicherweise zweischneidige Aspekte sind die hohen Ansprüche und der Perfektionismus hochsensibler Menschen, die eine gewisse Gnadenlosigkeit und Kompromisslosigkeit bedingen. Denn. "Sie können regelrecht an dem Dilettantismus, der sie umgibt, leiden. Diesem Leiden liegt aber eine Fähigkeit zurunde: nämlich die Begabung, Unstimmigkeiten schnell zu erfassen und Lösungen dafür zu finden. (...) Um dieses Instrument aber nutzen zu können, braucht es die grundsätzliche Annahme gerade auch durch den nicht-hochsensiblen Partner, dass die Wahrnehmung des oder der anderen seinen Grund hat, auch wenn man selbst nichts dergleichen wahrnimmt." (S. 127f)

Enorm wichtig ist ein permanentes und unvoreingenommenes Im-Gespräch-Bleiben und Reflektieren von Gefühlen, Erwartungen, prägenden Erfahrungen. Dabei müssen besonders Hochsensible ihre oft aus Verletzungen resultierende Zurückhaltung überwinden und in Resonanz treten: "Es erscheint mir fundamental wichtig für gelingende Ehen Hochsensibler, die Wahrnehmungen von den Interpretationen zu trennen. Die Kunst ist, einen bewussten Filter zwischen der Wahrnehmung und dem Handeln einzurichten." (S. 114) Vor allem, weil Hochsensible Wahrnehmungen schnell zu ihren Ungunsten interpretieren.

Im letzten Teil folgen Anstöße für Hochsensible, um sich selbst besser kennenzulernen, mehr zu schätzen und damit zufriedenerer in der Partnerschaft zu werden. Beispielsweise neben den oben erwähnten Tipps darauf zu achten, sich ihren schwankenden Seelenzuständen nicht passiv auszuliefern, sondern sie selbst zu steuern. Die wichtigste Anregung des Buches für eine Partnerschaft zwischen zwei verschieden sensiblen Menschen ist meiner Meinung nach: "Nutzen Sie Ihre gegenseitigen Kompetenzen!" (S. 141) Das erfordert Erkennen, Akzeptanz, Verständnis und Einfühlen in den anderen, ggf. Kompromisse und vor allem immer wieder Gespräche und Reflektion.

Was mir als eigenes Thema in dem Buch (bis auf eine kleine Passage) komplett fehlt, ist der Aspekt der Elternschaft. Da Beziehungen meistens in die Elternschaft bzw. Familie münden und dies mit einem oder zwei hochsensiblen Partnern nochmal neue Probleme aufwirft, wäre das ein eigenes Kapitel wert gewesen. Als Eltern lernen sich die Partner völlig neu und in einer extremen Belastungssituation kennen, müssen ihr Leben und ihre Beziehung hinterfragen und oft grundlegend überarbeiten. Die Elternschaft kann die schwerste Krise für eine Partnerschaft bedeuten. Gerade für ein hochsensibles Elternteil stellt die Freiheitsberaubung und Fremdbestimmung durch ein Kind oftmals eine riesengroße Herausforderung dar. Die Aufgabe des anderen Partners wäre es, durch Verständnis, Kommunikation, Verschaffen von Ruheinseln und Übernehmen schwieriger Aufgaben einen Ausgleich zu schaffen und den hochsensiblen Partner zu entlasten. Das funktioniert aber nur, wenn beide um die problematischen Aspekte der Hochsensibilität wissen, diese akzeptieren und immer im Gespräch bleiben. Meist ist dafür mit einem Baby oder Kleinkind weder Zeit noch Kraft vorhanden. Es wäre also wichtig, wenn in einem Buch wie diesem Strategien aufgezeigt würden, wie beide Elternteile, das hochsensible wie das "normal-sensible", mit einer speziellen Ausnahmesituation wie der Geburt eines Kindes besser umgehen können, ebenso wie mit einem Partner, der sich dadurch vielleicht verändert oder andere Seiten zeigt. Viele Tipps und Anregungen des Buches kann man nur bedingt auf die ersten Jahre mit einem Kind anwenden, da die äußeren Bedingungen sich wie eine permanente Krise und Überforderung anfühlen können. Dazu hätte ich persönlich mir also noch ausführlichere Gedanken gewünscht. Ansonsten ist das Buch für alle an dem Thema Interessierte sehr empfehlenswert. Und ich hoffe, dass es viele nicht-hochsensible Partner lesen!


Donnerstag, 12. Februar 2015

Piratennacht

Morgen hat der Große seine erste Piratennacht in der Kita. Seine ganze Gruppe übernachtet in der Kita, um sich langsam auf die im Juni geplante viertägige Kitareise vorzubereiten. Von Freitag 17 Uhr bis Samstag 9:30 sind schöne Aktivitäten wie eine Piratenschatzsuche und eine Kinderdisco geplant. Es wird natürlich auch gemeinsam Abendbrot gegessen und gefrühstückt. Dafür soll jedes Kind etwas mitbringen. Die Kinder dürfen sich auch als Piraten kostümieren, Piratenbücher und -utensilien mitbringen.Wir haben ihm als Vorbereitung Meine Piraten-Schatztruhe und Wieso? Weshalb? Warum? Piraten und Piraten-Rätselspaß geschenkt.

Ich glaube, wir sind aufgeregter als der Große. Wir haben oft mit ihm darüber gesprochen, dass er in der Kita schläft, und auch in der Gruppe war das jeden Tag ein großes Thema. Er hat schon mehrmals bei den Großeltern übernachtet, aber noch nie bei einem Freund. Man kann gespannt sein, wie die Erzieher es schaffen, eine Meute von Kindern zur Nachtruhe zu kriegen und die unterschiedlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Der Große ist ja beispielsweise einer, der spät einschläft und früh aufwacht. Andere Kinder sind um 19 Uhr bereits so müde, dass sie freiwillig schlafen gehen. Sollte sich ein Kind ganz schwer tun, werden natürlich sofort die Eltern benachrichtigt. Leider wird beim Abholen am Samstag vormittag nicht viel Gelegenheit sein, Feedback von den Erziehern zu bekommen. Da alle Eltern gleichzeitig kommen und sicherlich erstmal von ihren Kindern in Beschlag genommen werden, ist das auch gar nicht möglich. Der Große ist ja leider auch kein williger Erzähler, was sein Kitaleben angeht. Viele interessante Anekdoten erfahre ich meist von anderen Mamas, deren Kinder ein wenig mitteilungsbedürftiger sind. Ich werde also nächste Woche alle Mamas befragen, was ihre Kinder erzählt haben, um mir nachträglich ein ausgewogenes Bild der Piratennacht zu verschaffen.

Da Kitaübernachtungen und Kitareisen in diesem Alter (4 Jahre) bei vielen Twittermamas gänzlich unbekannt waren und auch verständlicherweise auf Vorbehalte stießen, möchte ich kurz erwähnen, dass das hier bei uns gang und gäbe ist. Jede Kita macht es, manche sogar schon früher als unsere, und es wird immer gut vorbereitet. Es steht allen Eltern frei, ihr Kind teilnehmen zu lassen. Wem es noch zu früh ist oder wenn ein Kind noch nie woanders übernachtet hat oder neu in der Kitagruppe ist, hat gute Gründe für ein Fernbleiben. Das wird völlig akzeptiert. Die erste Kita des Großen hat die Reise schon vor einem halben Jahr gemacht. Das wäre mir unter Umständen auch etwas zu früh gewesen, da der Große zu diesem Zeitpunkt erst begonnen hatte, bei den Großeltern zu übernachten. Mittlerweile habe ich keine Bedenken mehr. Und wenn es nicht klappt, dann holen wir ihn in 10 Minuten ab. Er kennt seine Freunde und Bezugserzieher seit 2,5 Jahren.

Bedenken habe ich nur, was die Reizüberflutung, die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten und die mangelnde Ruhe für den Großen angeht. Schließlich findet das Ganze nach einem normalen, anstrengenden Kitatag statt. Zuhause merkt man schon, dass er abends in Ruhe herunterkommen muss und wenigstens kurz mal ungeteilte Aufmerksamkeit braucht. Das ist in der Kita natürlich nicht möglich. Damit muss er erstmal klarkommen. Wir werden am Samstag versuchen, ihm ganz besonders aufmerksam und liebevoll zu begegnen. Es kann aber auch sein, dass er erstmal zugeknöpft oder schlecht gelaunt ist und unsere Zuwendung ablehnt. Ja, das ist sogar wahrscheinlicher als die Freude, wieder bei uns zu sein. Wie auch immer, es ist eine spannende Erfahrung für alle.

Ein Junge aus seiner Gruppe meinte zu mir, dass die Eltern ja dann ins Kino oder essen gehen können. Als ich ihm sagte, dass das nicht gehe, weil wir ja noch die Kleine haben, schaute er mich ungläubig an. Tja, so ist das.

Und hier der Bericht über die Nachwehen der Piratennacht.

Montag, 9. Februar 2015

Über die Schlafkarriere meiner Kinder

Da ich über die Entwicklung des Schlafverhaltens bei meinen beiden Kindern sowieso mal einen längeren Beitrag schreiben wollte und die Teilzeitmutter zufällig jetzt eine Blogparade mit dem schönen Titel "Wie man sich bettet, so lügt man" gestartet hat, nutze ich die Gelegenheit und trage dazu bei. Ich habe hier vor kurzem schon etwas zu unserer aktuellen Schlafsituation geschrieben, die wohl sicherlich noch eine Weile so bleiben wird. Vielleicht ist es interessant, zu beleuchten, wie es dazu kam.

©Frühlingskindermama

Kurzversion:

Großer: grauenhafter Schläfer, der Tagschlaf wurde mit zunehmendem Alter konstanter, der Nachtschlaf deutlich besser mit 15 Monaten; zuverlässiger Durchschläfer erst, seit er 3 1/4 Jahre alt ist.

Kleine: sehr gute Tagschläferin bis 6 Monate, ab dann viel schlechter, durchwachsene Nachtschläferin, deutliche Verbesserung des Nachtschlafs mit 16,5 Monaten, seit wenigen Wochen (ca. 19 Monate) schläft sie relativ zuverlässig durch.

Wer sich jetzt noch für die ausführliche Version interessiert, lese hier weiter.

Der Große:

Vor der Geburt des ersten Kindes macht man ja Pläne;). Wir kauften ein Beistellbett und wollten gern den Großen bei uns im Schlafzimmer, aber in seinem eigenen Bettchen schlafen lassen. Ich hatte die konkrete Vorstellung, ihn mit ca. einem Jahr ins eigene Kinderzimmer auszuquartieren. Irgendwie dachte ich, dass das alles normal und nach Plan laufen würde. Naja, arg getäuscht, sag ich mal.

Er schlief ja schon von Anfang an wenig bis gar nicht, und wenn, dann nur kurz an der Brust oder auf dem Arm. Ablegen ließ er sich nicht, überhaupt war Liegen ein Ding der Unmöglichkeit. Das Kind war immer an uns dran. Und wach. Wir haben schon nach 2-3 Wochen ein Schlafprotokoll angefertigt, da uns niemand glaubte, wie wenig er schlief. Es zeigte ca. 9 Stunden komplett zerstückelten Schlaf in 24 Stunden. (Leider habe ich es nicht mehr gefunden, als ich jetzt danach suchte, aber ich weiß es noch genau, weil der Kontrast zu den immer propagierten 16-22 Stunden Babyschlaf so enorm war.) Nur kurze Phasen, 15-20 min., und schon gar nicht allein im Bett. Abends und nachts war es unheimlich schwierig. Einmal saß ich fast die komplette Nacht mit ihm im Stillzimmer der Klinik und beruhigte ihn abwechselnd mit dem Finger bzw. einer Spritze mit Premilch (ich durfte zu dem Zeitpunkt nicht stillen; siehe mein Beitrag Langzeitstillen). Einen Schnuller akzeptierte er nicht und das änderte sich auch nie. Zuhause dann setzte ich mich tagsüber stundenlang mit ihm hin und er döste nach dem Stillen ein, wachte auf, nuckelte wieder, döste wieder ein usw. Clusterfeeding nennt sich sowas. Das wusste ich aber damals noch nicht und hätte mich auch nicht getröstet. Es war ein Kreislauf, der mich fast wahnsinnig machte.

Abends behielten wir ihn, bis wir selbst ins Bett gingen, bei uns im Wohnzimmer, und das gleiche Dauerstillen-Dösen spielte sich ab. Für mich unglaublich anstrengend. Nachts versuchten wir es ein paar Nächte zusammen im Schlafzimmer, merkten aber, dass keiner Schlaf bekam, und änderten notgedrungen unsere Strategie. Die erste Nachthälfte ab ca. 22:30 Uhr verbrachte mein Mann mit dem Großen im Wohnzimmer. Nach dem Stillen versuchten wir ihn vorsichtig in sein Bettchen zu legen, ich schlich mich ins Schlafzimmer und hoffte, ein paar Stunden Schlaf zu kriegen. Mein Mann schlug sich mit dem halb wachen, halb schlafenden Großen herum und "sch"te, hielt Händchen und streichelte, sofern der Große das denn zuließ. Er bekam in dieser Nachtphase so gut wie gar keinen Schlaf, weil der Große sehr unruhig war, merkwürdige laute Geräusche von sich gab und ständig röchelte. Gegen 2 Uhr löste ich ihn ab, stillte und döste mit dem Großen entweder auf der Couch oder im Bett weiter. Ab ca. 4:30 Uhr war er mehr als unruhig und wollte die Nacht beenden. Ich zog ihn mit Dauerstillen wenigstens noch bis ca. 6 Uhr. Bei dieser Aufwachzeit ist er bis heute geblieben. Es war grauenhaft. Wir waren völlig gerädert, und da er ja auch tagsüber kaum schlief, in kurzer Zeit am Rande der Erschöpfung.

Mit 9 Wochen beschlossen wir verzweifelt, dass er fortan in seinem Kinderzimmer schlafen solle, weil es für uns so einfach nicht mehr ging. Das hieß aber für mich, dass nun ich allein nachts aufstehen und zu ihm gehen musste. Wir führten ein Abendritual ein und brachten ihn gegen 20 Uhr ins Bett. Das Umziehen übernahm der Papa und ich stillte ihn im Stillsessel in den Schlaf. Wenn er tief schlief, versuchte ich, ihn in sein Bett zu legen. Das war jedesmal ein Drahtseilakt, der ja tagsüber so gut wie nie funktionierte. Er wurde nachts gepuckt bis 6 Monate, weil sein Moro-Reflex so stark ausgeprägt war, dass er immer wieder davon aufwachte. Das Einschlafen dauerte oft über eine Stunde und vor 21 Uhr war ich selten draußen. Er schrie meist noch mehrfach am Abend und wir versuchten, ihn durch Schaukeln wieder zum Schlafen zu bringen. Das dauerte oft sehr lange, so dass die Abende weiterhin nicht weniger aufreibend waren als die Tage. Dann in der Nacht kam er ca. alle 2-3 Stunden. Da das Stillen, bis er wieder eingeschlafen war, aber ca. 1 Stunde dauerte (in der ich hellwach wurde), waren die Pausen für mich nur kurz und ich konnte schlecht wieder einschlafen. Oft musste ich auch direkt nach dem  Hinlegen noch mehrmals zu ihm rein. Zwischen 5 und 6 Uhr war die Nacht vorbei. Dass er dann morgens schnell wieder müde wurde, war natürlich ein Hohn für uns. Sein Babyschlaf dauerte also ab ca. 2 Monate mit vielen Unterbrechungen von ca. 21:30 bis 5-6 Uhr.

Als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, hatte er regelmäßig im ersten Lebensjahr nächtliche Wachphasen von ziemlich genau 3 Stunden. Sie begannen meist nach Mitternacht und er ließ sich dann auf Teufel komm raus nicht wieder zum Schlafen bringen, wand sich mit Bärenkräften, schrie, jammerte, tobte und schlug unsere Hände weg. Ich stillte, wir schaukelten ihn, trugen ihn in der dunklen Wohnung herum, dann begann der Kreislauf wieder von vorn, aber es brachte alles nichts. Diese nächtlichen Wachphasen teilten wir uns auf, weil das einer allein gar nicht geschafft hätte. Ansonsten war ich ja doch eher allein für die Nächte zuständig. Der Große hatte eben lange Zeit so gar keinen Tag-Nacht-Rhythmus bzw. er behielt seinen nach und nach etablierten ungefähren 3-Stunden-Tagesrhythmus nachts bei. Die Wachphasen hörten wie von Zauberhand kurz nach seinem 1. Geburtstag auf.

Kurioserweise schlief er einige einzelne Nächte, um genau zu sein 10x in 15 Monaten, durch. Damit ist seine Bilanz im gleichen Zeitraum besser als die der Kleinen. Wir hatten keine Ahnung, warum, wussten aber, dass wir es nicht beeinflussen konnten. Insgesamt war sein Schlafverhalten einfach grauenhaft. Wir waren verzweifelt und dachten oft, er würde niemals durchschlafen. Es war nachts wie auch tagsüber wahnsinnig aufwändig und kräftezehrend, ihn wieder zum Schlafen zu bringen.

Tagsüber schlief er die ersten Wochen entweder in der Trage (mit Einschlafhilfe durch Fön oder Waschmaschinenschleudern), was sehr anstrengend war, weil man sich nicht hinsetzen konnte (er wachte sofort auf), oder eben an der Brust. Mit ca. 4 Monaten ließ er sich dann auch ab und zu ablegen, wenn man ihn mühsam und langwierig zum Schlafen gebracht hatte. Mein Mann hatte für zuhause ein kleines Einschlafritual für den Tagschlaf entwickelt, mit einer bestimmten Schlaf-CD und langem Schaukeln (bis zu 45min.). Das funktionierte aber meist nur bei ihm und war unglaublich anstrengend. Außerdem war es mit dem Risiko des Ablegens verbunden. Und selbst wenn er in seinem Bettchen lag, konnte er von einem leise knackenden Kniegelenk aufgeweckt werden. Er schlief ohnehin viel zu kurz und wachte mit grottenschlechter Laune auf. Er schlug die Augen auf und begann sofort zu schreien. Ich begann dann notgedrungen, mich vormittags mit ihm 2 Stunden in den Stillsessel zu setzen, damit er nuckeln, dösen, nuckeln, dösen konnte. (Leider hatte ich damals noch kein Smartphone.) Nachmittags legte ich mich meist 2 Stunden mit ihm im Garten hin, wo es genauso ablief. Das empfand ich alles als sehr freiheitsberaubend und einschränkend, aber ich hatte keine große Wahl. Das Stillen im Liegen fiel mir bei ihm insgesamt schwer und war sehr unbequem. Manchmal musste mein Mann nochmal abends mit ihm raus, da der Große nie lange durchhielt, weil er soviel aufnahm, nicht abschalten konnte und schnell überreizt war. Immer musste man ihn zum Schlafen "zwingen"; er wehrte sich mit Händen und Füßen und Gebrüll und wenn er dann endlich schlief, war man komplett erschöpft. Es gibt im ersten Jahr ganze 2 Situationen, wo er kurz von allein einschlief. Das war so unglaublich, dass ich mich bis heute daran erinnere. Einmal im Hochstuhl (nur für 10min.) und einmal auf der Krabbeldecke, als ich neben ihm ein Paket auspackte.

Autofahrten mit ihm waren ein Graus. Er schrie sich sofort in Rage. Mit viel Glück schlief er nach einer unendlich scheinenden Weile ein, schlug aber sofort die Augen wieder auf, wenn das Auto stehenblieb. Mein Mann entwickelte einen Fahrstil, indem er langsam und vorausschauend an rote Ampeln ranfuhr, um ja nicht stehenzubleiben. Obwohl wir immer versuchten, ihn nach dem Stillen und wenn er müde genug schien, ins Auto zu verfrachten, wehrte er sich auch hier mit aller Kraft gegen das Schlafen. Einmal schrie er ganze 2 Stunden im Auto durch, trotz Anhaltens, Stillens und allen Beruhigungsversuchen. Es war einfach unerträglich.

Mit 7 Monaten, als mein Mann wieder arbeiten ging, etablierte ich ziemlich schnell einen festen Rhythmus, um mir die langen Tage erträglich zu machen, indem ich zweimal täglich lange, einsame Kinderwagenspaziergänge bei Wind und Wetter machte. Er schaffte es dabei immer öfter, seinen Schlafzyklus von 45min. auf 90min. zu verdoppeln. Allerdings musste man vieles beachten: nicht stehenbleiben, kein glatter Untergrund (uneben, aber nicht zu holprig), kein Lärm, gleichmäßiges Schieben etc. Kritisch war vor allem der Übergang zwischen den beiden Schlafphasen, da betete ich immer, dass er nochmal weiterschlief. Es war Nervenkrieg pur. Ich lief vormittags und nachmittags ca. 2 Stunden, von denen er meist 90min. schlief. Manchmal brauchte er länger zum Einschlafen und schrie Zeter und Mordio im Kinderwagen. Ich handelte mir so manche Bemerkung von Fremden ein, wusste aber, dass ich weiterlaufen und ihn quasi zwingen musste, einzuschlafen. Herausnehmen hätte alles nur schlimmer gemacht. Aber es waren ganz furchtbare Situationen für mich und oft weinte ich, wenn er dann endlich eingeschlafen war. Wie ich überhaupt auf diesen erzwungenen Spaziergängen viel weinte. Aber es tat ihm gut und er hatte danach akzeptable Laune. Dafür war ich natürlich völlig kaputt. Aber das war ja Dauerzustand in diesem ersten Jahr. Mit ca. 10 Monaten schaffte er es erstmals, im Kinderwagen weiterzuschlafen, wenn dieser stehenblieb, schlief dann aber nicht lange genug, so dass ich also weiter meine Runden drehte. Danach ging es langsam aufwärts, aber bis knapp anderthalb Jahre schoben wir ihn noch oft schlafend durch die Gegend. Das blieb einfach lange Zeit die sicherste Variante. Zumindest konnte man ihn im zweiten Sommer dann schon schlafend im Garten hinstellen,  wenn man die schlechte Laune danach in Kauf nahm.

Nachdem die nächtlichen Wachphasen kurz nach seinem 1. Geburtstag aufgehört hatten, trat die Wende im Nachtschlaf mit 15 Monaten ein. Er erkrankte ganz schrecklich am Drei-Tage-Fieber und wir durchlebten insgesamt fürchterliche 2 Wochen, in denen er völlig durchdrehte. Danach - man glaubt es kaum - schaffte er es plötzlich, alleine einzuschlafen. Nach seiner Krankheit starteten wir auch mit dem Mittagsschlaf in der Kita und - es funktionierte. Damit hatte keiner gerechnet. Die Erzieherin sagte noch zu mir, sie glaube nicht, dass es klappt. Gleichzeitig begann er immer öfter durchzuschlafen. Es war unfassbar. Auf die Krankheit hätte ich gern verzichtet. Das Durchschlafen ca. alle 2-3 Tage war aber natürlich endlich ein Strohhalm. Es scheint wirklich eine Gehirnveränderung stattgefunden zu haben, und die Fortschritte überraschten uns komplett. Ab diesem Zeitpunkt schlief er immer besser und ließ sich auch nachts vom Papa beruhigen, so dass wir in Hinblick auf die Geburt der Kleinen unsere nächtlichen Rollen langsam tauschen konnten. Als die Kleine geboren wurde (er war 2 Jahre und 2 Monate alt), waren es pro Woche ca. 5 durchgeschlafene von 7 Nächten, wie ich meinen Aufzeichnungen entnehmen kann. Ein Jahr später (er war 3 1/4) verlegten wir das Kinderzimmer ins größte Zimmer der Wohnung. Er hatte keinerlei Probleme mit der Umstellung, sondern schlief ab dann fast ganz zuverlässig durch. Nur bei Krankheit klappt es nicht, aber das ist völlig normal. Insgesamt gesehen schläft er durch, und damit viel besser als vergleichbar alte Kinder aus dem Freundeskreis. Für uns ein absolutes Wunder nach der Vorgeschichte! Allerdings ist er ein Kurzschläfer geblieben: er schläft abends gegen 20:30 Uhr ein und wacht gegen 6 Uhr morgens auf. Oft sogar früher, selten später. Mittags schläft er zur Zeit ca. 1 Stunde. Er schafft es auch ohne Mittagsschlaf, hängt den entgangenen Schlaf aber leider bis heute nicht an die Nacht dran.

Die Kleine:

Vor der Geburt der Kleinen machte ich keine konkreten Pläne. Zwar kauften wir wieder ein Beistellbett (das alte war schon verkauft), aber ich stellte mich intensiv darauf ein, erst einmal das Baby kennenzulernen und dann zu schauen, welche Lösung die Beste für alle ist. Glücklicherweise war sie ja wesentlich pflegeleichter, was das Schlafen (und nicht nur das) betrifft. Schon in der Klinik schlief sie gut sowohl an und auf mir, aber auch alleine in ihrem Bettchen, so dass ich durchatmen konnte. Zuhause merkten wir sofort, dass sie insgesamt eine gut händelbare Schläferin ist, weil sie leichter in den Schlaf fand, sich meist gut ablegen ließ und die ersten 6 Monate zumindest tagsüber sehr lange (3-5 Stunden) schlief. Auch morgens schlief sie nach dem Stillen noch weiter, oft bis zum späten Vormittag. Sie kam tatsächlich auf ca. 18 Stunden von 24. Das waren paradiesische Zustände für uns gebeutelte Eltern. Gepuckt hatte ich sie die ersten Tage, merkte aber, dass es völlig unnötig war. Ihr Moro-Reflex war schon am Anfang fast weg. Die Laune bei der ausgeschlafenen Kleinen war super und wir hatten keine Bange davor, wie wir sie das nächste Mal zum Schlafen kriegen. Meist schlief sie einfach auf meinem Arm oder auf dem Bett liegend ein. Das war so einfach im Vergleich zum Großen, dass wir es gar nicht glauben konnten. Der Tagschlaf wurde dann mit genau 6 Monaten grottenschlecht. Sie schaffte dann meist nur noch 2 bis 3x 25 min., mit Stillen und Dösen wurde es etwas länger. Die zu kurzen Schläfchen wirkten sich sofort auf ihre Laune aus, sie war dauerhaft unzufrieden und quengelig. Sie schlief auch schwieriger ein und wir mussten immer öfter mit dem Kinderwagen raus. Allerdings holte sie seitdem in ihrer motorischen Entwicklung unheimlich auf und war in allem nur ca. 4 Wochen später dran als der Große. Was den Nachtschlaf betrifft, dauerte es 16,5 Monate, bis sie erkennbar besser schlief, und seit wenigen Wochen (ca. 19 Monate) schläft sie ziemlich zuverlässig durch.

Das Einzige, was ich mir bei ihr vorgenommen hatte, war, sie von Anfang an zu einer relativ festen Zeit abends ins Bett zu bringen, um zumindest am Abend ein wenig Zeit zu haben. Damit startete ich ziemlich schnell, als wir wieder zuhause waren, und führte ein festes Abendritual und eine Zubettgehzeit von ca. 19 Uhr ein. Ich legte mich nach dem Ritual mit ihr ins große Bett und stillte sie in den Schlaf. Glücklicherweise machte mir das Stillen im Liegen bei ihr nicht mehr so große Probleme wie beim Großen. Und tatsächlich funktionierte es bei ihr gut, sie schlief ein und ich konnte wieder aufstehen. Manchmal dauerte es jedoch sehr lange (bis zu 2 Stunden), bis sie tief schlief. Ab und zu rief sie mich im Verlauf des Abends zu sich, ließ sich aber meist schnell beruhigen. Die Abende gehörten tendenziell uns, was ein riesiger Unterschied zum Großen war. Sie blieb im großen Bett liegen, später schlüpfte ich hinzu und wir schliefen zusammen, was für mich völlig okay war, da sie weder unruhig schlief noch viele Geräusche machte wie der Große. Natürlich stillte sie nachts mehrfach, gegen Morgen auch dauerhaft, aber zumindest musste ich nicht aufstehen und es wurde keines der übrigen Familienmitglieder wach, weil sie ja nicht erst schreien musste, sondern ich direkt reagieren konnte. Da der Große zu dem Zeitpunkt noch nicht zuverlässig durchschlief, war es mir sehr wichtig, die Situation so zu gestalten, dass er nachts nicht gestört wurde. Und es machte mir bei ihr komischerweise nichts aus, sie in meinem Bett zu haben. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass sie mir tagsüber genügend Zeit ließ, um für mich zu sein, so dass ich die nächtliche Nähe gut ertragen konnte.

Auf die abendliche Zeit stellte sie sich sehr schnell ein, und wenn es mal etwas später wurde, schrie sie herzzerreißend. Nachts kam sie sehr häufig, schlief allerdings relativ schnell wieder ein und hatte im Ganzen vielleicht nur 3-4 Mal eine mehrstündige nächtliche Wachphase, wie sie der Große im ersten Lebensjahr ständig hatte. Ich denke, für sie war es genau richtig, dass sie neben mir schlief und meine Nähe spürte. Mit 6 Monaten bettete ich sie abends nach dem Einschlafen im großen Bett in ihr Gitterbett um, wo sie den ersten Teil der Nacht verbrachte. Das ging relativ problemlos. Meistens musste ich sie dann, wenn ich schlafen ging oder kurze Zeit später, mit zu mir nehmen. Sie hatte nur ganz wenige Abende, wo sie so untröstlich schrie, dass wir sie wieder ins Wohnzimmer nehmen mussten. Das war immer dann, wenn sich Zähne ankündigten oder sie erkältet war. Auch erbrach sie relativ häufig ins Bett, wenn sie schlimm hustete. Das kannten wir vom Großen nicht. Leider wachte sie oft auf, wenn ich ins Bett ging, und wollte noch mit über einem Jahr meist alle 1-2 Stunden stillen. Einen Schnuller akzeptierte sie genau wie der Große nicht. Das Aufwachen sowie das Dauerstillen gegen Morgen nervten mich zunehmend, so dass ich begann, im Wohnzimmer zu schlafen und erst ins Schlafzimmer wanderte, wenn sie rief. Diese Veränderung machte sich dahingehend positiv bemerkbar, dass sie später in der Nacht wach wurde und sich manchmal sogar nochmal im Bett beruhigen ließ. Alles in allem wurden ihre Schlafphasen dadurch länger und mit 16 1/2 Monaten begann sie, erkennbar besser und manchmal sogar durchzuschlafen. Wir stillten dann nachts so gut wie gar nicht mehr und ich konnte wieder ins Schlafzimmer umziehen. Ihre Gehirnentwicklung war nun soweit fortgeschritten, dass sie alleine oder durch kurze Beruhigung wieder einschlafen konnte. Und das war, bevor wir das Einschlafstillen beendeten.

Die endgültige Wende trat im November 2014 ein, als ich sie wegen ihres schlimmen Magen-Darm-Virus' nicht mehr einschlafstillen wollte, weil sie kurze Zeit später schwallartig erbrach. In dieser Zeit war sie auch so schlapp, dass sie gar nicht dagegen protestierte. Wir kuschelten, ich erzählte noch ein wenig mit ihr und sie schlief neben mir, aber von selbst im großen Bett ein. Dann bettete ich sie in ihr Bett um. So mache ich es bis heute mit ihr und genieße diese Situation sehr. Ab diesem Zeitpunkt wurde nicht mehr einschlafgestillt, und nachts schläft sie jetzt seit wenigen Wochen (mit ca. 19 Monaten) ziemlich zuverlässig durch. Bei ihr habe ich nur ein wenig Sorge, dass sie aus ihrem Bett und Zimmer herauskommen wird, wenn wir mal die Gitterstäbe abmachen. Im Moment schläft sie nachts von ca. 20 Uhr bis ca. 6:30 Uhr sowie mittags 2 Stunden (Kita) bzw. 1 Stunde (zuhause).

Alles in allem hat sich das Schlafverhalten bei beiden Kindern gut entwickelt und ist im Moment so stabil, dass es uns schon fast unheimlich ist. Andererseits haben wir uns das wohl auch verdient, nach fast 4 anstrengenden Jahren. Dass der Große als ehemaliger schlechter Schläfer nun tatsächlich fast jede Nacht durchschläft, können wir selbst manchmal nicht glauben. Und das ohne jede Beeinflussung von außen. Ich habe zwar in den letzten Jahren viel, sehr viel über den Schlaf von Babys und Kleinkindern gelesen, aber nie ein "Besser-Schlafen-Programm" angewendet, sondern immer darauf vertraut, dass es von alleine besser wird (wenn auch mit vielen Zweifeln verbunden). Meine erste Hebamme, über die ich hier leider nichts Gutes berichten konnte, hatte mir gleich am Anfang das fürchterliche Buch JKKSL in die Hand gedrückt. Eine Hebamme! Ich habe es angewidert zurückgegeben. Angenehm und undogmatisch fand ich das Buch Schlafen statt Schreien von Elizabeth Pantley, aber die darin angegebenen sanften Tipps waren mit dem Großen nicht umsetzbar. Und bei der Kleinen habe ich sowieso auf mein Gefühl vertraut. Beide Kinder werden bis heute in den Schlaf begleitet.

So, ich hoffe, ich habe alle Fragen der Blogparade der Teilzeitmutter beantwortet. Gleichzeitig habe für mich selbst einen kleinen Rückblick geschrieben, der längst überfällig war. Danke für's Lesen!

Mittwoch, 4. Februar 2015

Angst vor dem Vergessen

Eigentlich habe ich ein sehr gutes Gedächtnis. Das hat mir oft geholfen, mich aber manchmal auch belastet. In letzter Zeit merke ich zu meiner großen Bestürzung, dass ich viele Sachen aus der Zeit vor und der Anfangszeit mit den Kindern vergesse und mich öfter fragen muss: "Wie war das und das nochmal beim Großen?". Selbstverständlich habe ich mir damals Notizen gemacht, wenn auch nicht so ausführlich, wie ich es mir jetzt manchmal wünschen würde. Ich erinnere mich auch an viele kleine Szenen (vor allem an die vielen schwierigen). Und die grundlegende  Erinnerung an das schreckliche erste Jahr mit dem Großen bleibt auch immer präsent. Ich bin niemand, der negative Erinnerungen verdrängt, im Gegenteil, ich muss mich oft aktiv bemühen, mich an die positiven Momente zu erinnern. Aber es wird sovieles überlagert durch die aktuelle Entwicklung der Kinder, den ganzen organisatorischen Kram (ich weiß, das nimmt in der Schule noch größere Ausmaße an), die Arbeit und auch durch viel persönlichen und virtuellen Austausch über die Kinder anderer Leute.

Mir macht dieses fortschreitende Vergessen wirklich Angst und ich bedauere es zutiefst, dass ich erst so kurz blogge. Wahrscheinlich ist das Bloggen auch ein wenig als Reaktion darauf, dass mir bewusst wurde, wie ich anfange zu vergessen, entstanden. Entgehen könnte man diesem Gedächtnisschwund in meinen Augen nur, wenn man frühere Erlebnisse immer und immer wieder reproduziert und mit jemandem bespricht. Aber finde mal jemanden, der dazu bereit ist. Abgesehen davon habe ich seit den Kindern gar nicht mehr die Kraft, Dinge immer wieder zu besprechen. Dazu kommt, dass ich selbst auch eine enorme Entwicklung hinsichtlich meiner Geduld und "Leidensfähigkeit" gemacht habe. Ich ertrage jetzt vieles besser, woran ich mich in den letzten Jahren aufgerieben habe, wodurch mein Verständnis für meine eigene, damals oft schwierige Situation zwangsläufig abnimmt. Ich weiß zwar noch, wie ich mich manchmal gefühlt habe und dass ich eben nicht anders konnte, als so und so zu empfinden, aber es ist nicht mehr so unmittelbar verständlich. Nicht mal für mich selbst. Abgesehen davon ist natürlich die Gesamtsituation einfach durch das Älterwerden der Kinder auch erträglicher geworden. Es spielt vieles rein.

Ich möchte aber nicht vergessen und auch nicht nivellieren. Deshalb ist es immer wieder mein Bedürfnis, hier, auf Twitter, Facebook und in persönlichen Gesprächen, meine Erinnerungen gerade an die schwere Anfangszeit besonders mit dem Großen zu reflektieren. Deshalb schreibe ich auch mitunter sehr sehr lange Texte. Das ist Aufarbeitung, Erinnerung und Reflexion gleichzeitig. Ich konsultiere dann immer wieder meine Notizen und Kalender. Und wenn ich etwas lese, taucht vieles wieder in meinem Kopf auf. Oft weine ich auch. Das tut gut und bringt die Erinnerung zurück, und ist zwar schmerzhaft, aber meine persönliche Strategie gegen das Vergessen.

Wie empfindet ihr das? Merkt ihr, dass eure Erinnerung aufgrund der Fülle neuer Daten nachgelassen hat? Oder ist euer Gedächtnis wegen des intensiveren Erlebens mit den Kindern sogar besser geworden?